DRG - Richtlinien für die Beseitigung
des Unkrautes auf dem Bahnkörper von 1934

 

 

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Der "Grasweiberzug" kommt!

Ein verlassener Schienenstrang mit wuchernden Gräsern kann gefährlich werden für den Zugverkehr. Denn dadurch das Unkraut auf den Schienen zerquetscht wird, können die Bremsen versagen. Das gleiche gilt beim Auflegen von Hemmschuhen an den Bahnhöfen; auch hier rutschen die Hemmschuhe weiter, wenn Gras zwischen Schinenstrang und Hemmschuh kommt. Deshalb hat die Reichsbahn dem Unkraut auf den Bahnkörpern schärfsten Kampf angesagt. Ursprünglich wurde das Unkraut mit der Spitzhacke beseitigt, doch konnte diese mühevolle Arbeit nicht zum Erfolg führen. Man ging dazu über, durch chemische Lösungen der Unkrautwucherung Einhalt zu gebieten. So wurde kürzlich nach langjährigen Versuchen ein ganzer Sprengwagenzug entworfen, der nach dem Zerstäuberverfahren arbeitet. Der Zug fährt die verkrautete Strecke im 20- bis 25-Kilometer-Tempo ab und verwendet eine dreiprozentige Natrium-Chloratlösung.

Früh am Morgen verkehren die Züge, damit das Unkraut taufrisch von der Lösung betroffen wird. Schon nach einigen Stunden rollt es die Blätter ein und stirbt nach wenigen Tagen vollkommen ab. Oft ist der Giftsprengzug mehrere Tage von seinem Heimatort entfernt, und die Besatzung verbringt den ganzen Tag auf dem Zug, der durch Mannschafts- und Küchenwagen vervollständigt ist. In der kurzen Zeit ihres Bestehens haben die Arbeiter des Giftsprengzuges auch schon ihren Spitznamen bekommen, und wenn der Bahnhofsvorsteher ankündigt: Morgen kommt der "Grasweiberzug"!, so ist jeder Eisenbahner sofort im Bilde.

Dieser Bildbericht aus "Das Illustrierte Blatt / Frankfurter Illustrierte" vom 29. September 1936 beschreibt einen Teil der Problematik des Unkrautwuchses im Bereich des Bahnkörpers. Hauptsächlich bewirkt dieser Bewuchs aber eine Behinderung der Entwässerung der Gleisbettung und ist damit eine Gefahr für die Lagesicherheit und Liegedauer des Gleises.

Im Paragraphen  21 der Oberbauvorschrift (DV 820) der Deutschen Reichsbahn heißt es dazu: 

"Das Unkraut auf dem Bahnkörper und in der Bettung ist von Hand und durch chemische Mittel zu beseitigen."

Das seinerzeit gebräuchlichste Herbizid war Natriumchlorat, das in Wasser gelöst mittels Sprengwagen auf den Bahnkörper aufgesprüht wurde. Die ätzende und oxidierende Wirkung dieses Salzes der Chlorsäure ließ die Pflanzen in kurzer Zeit absterben. Als Sprengwagen fanden häufig ehemalige Dampfloktender Verwendung, aber auch auf Waggonfahrgestellen aufgebaute Flüssigkeitstanks kamen zum Einsatz. Weitere Fahrzeuge wie Vorrats- und Manschaftswagen ergänzten diese Züge.

Aus dem Fahrwerk eines Wagens der französischen Ostbahn entstand der Sprengwagen (Wagen 3)

des VEB Orbitaplast, Westeregeln, der heute im Traditions-Bw Staßfurt erhalten wird.

Foto: J. Fricke (2004)

Für den Einsatz solcher Sprengwagenzüge gab die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft 1934 die im Folgenden wiedergegebene Dienstvorschrift heraus. In der Sammlung des technikmuseum-online befindet sich noch eine weitere Ausgabe dieser Vorschrift aus dem Jahr 1940.

Information zur Darstellung des Hakenkreuzes


DV 841 (RUN), Ausgabe 1934 und 1940

Sammlung: J. Fricke


841

Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft


 

Richtlinien

für die

Beseitigung des Unkrautes auf dem

Bahnkörper

durch

Natriumchlorat

(RUN)

Gültig vom 1. April 1934


Geschäftsführung: Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft, Reichsbahn-Zentralamt für Bau- und Betriebstechnik

Druck: Reichsbahndirektion München

Verteilungsplan

Hauptverwaltung

Reichsbahn-Zentralämter

Reichsbahndirektionen

Reichsbahn-Betriebsämter

Reichsbahn-Maschinenämter

Reichsbahn-Ausbesserungswerke

Bahnmeistereien

Bahnbetriebswerke

Bahnhöfe

 

Eingeführt durch HV-Verf 81 Jou 137 vom 4.4.1934

 


Inhaltsverzeichnis


 

§ 1

Allgemeines

(1) Unkraut in den Gleisen und auf den Randwegen des Bahnkörpers läßt sich durch Jäten und Aushacken nicht dauernd beseitigen, weil Teile tiefwurzelnder Pflanzen im Boden steckenbleiben und bald von neuem treiben.

(2) Durch die Behandlung mit Natriumchlorat wird dagegen das Unkraut - mit Ausnahme weniger Arten - vollständig vernichtet. Nach Besprengen mit einer wässerigen Lösung von 2,5 bis 3,0% sterben die oberirdischen Pflanzenteile ab. Da die Lösung auch in den Boden eindringt, werden auch die Wurzeln der Pflanzen angegriffen und allmählich abgetötet.

 

§ 2

Ermittlung der zu entkrautenden Strecken

(1) Die zu entkrautenden Strecken werden von den Betriebsämtern der Reichsbahndirektionen in einer Nachweisung nach folgendem Muster bezeichnet.

(2) Die Reichsbahndirektion stellt an Hand der Angaben einen Plan für die Entkrautungsarbeiten auf und regelt danach die Behandlung der einzelnen Strecken für den gesamten Bezirk.

(3) Für die Berechnung der zu besprengenden Flächen ist die Breite der Gleise im Durchschnitt zu 4,5m anzunehmen.

 

§ 3

Zeit der Unkrautbekämpfung

(1) Die Besprengung der Strecken soll möglichst frühzeitig, aber auch erst dann einsetzen, wenn das Unkraut aufgegangen ist. In der Regel ist sie in den Monaten April und Mai durchzuführen, keinesfalls darf sie bis zur Samenreife hingezögert werden. Die Strecken sollen alljährlich nicht immer in derselben Reihenfolge besprengt werden, die Reihenfolge soll vielmehr grundsätzlich wechseln, weil auf den später behandelten Strecken infolge der vorgeschrittenen Entwicklung des Unkrauts die Besprengung nicht mehr so wirksam ist und diese Strecken sonst in der Bereinigung zurückbleiben würden. Die Arbeiten sind möglichst zu beschleunigen. Wenn auf besonders stark verkrauteten Strecken die einmalige Behandlung mit Natriumchlorat nicht ausreicht, kann eine nochmalige Behandlung frühestens 14 Tage nach der ersten Besprengung in Frage kommen

(2) Die Wirkung der Lösung im Boden ist am günstigsten nach einem Regen. Bei Regen selbst darf nicht gesprengt werden, da sonst die Lösung zu sehr verdünnt und unter Umständen weggespült wird.

 

§ 4

Stärke und Herstellung der Natriumchloratlösung

(1) Die Stärke der Natriumchloratlösung richtet sich nach der Schüttleistung der Sprengvorrichtung (Pumpe und Düsen), nach der Fahrgeschwindigkeit des Sprengwagenzuges und nach dem Grade der Verkrautung der Strecke. Bei einer Schüttleistung der Sprengvorrichtungen von 750 Liter/Min soll in der Regel eine 3%ige Lösung verwendet werden (siehe § 5).

(2) In Gleisen, die mit einer geringen Geschwindigkeit befahren werden, genügt im allgemeinen eine 2,5%ige Lösung. Auf Strecken mit dichter Zugfolge und höheren Fahrgeschwindigkeiten ist eine 3,0%ige Lösung zu verwenden.

(3) Es ist zweckmäßig, das für den Tenderinhalt erforderliche Natriumchlorat vor der Füllung in die Tender zu schütten, damit es durch das einströmende Wasser durcheinandergewirbelt und möglichst schnell aufgelöst wird. Durch ein an dem Tender angebrachtes Rührwerk wird die Auflösung des Natriumchlorats gefördert. Das Rührwerk soll auch während der Fahrt hin und wieder in Gang gesetzt werden, da für die volle Wirksamkeit des Mittels die restlose Auflösung Voraussetzung ist. Die Stärke der Lösung soll von Zeit zu Zeit mit dem Aräometer nach Baumé nachgeprüft werden. Die zu prüfende Flüssigkeit wird am besten an einer Düse der Sprengvorrichtung entnommen.

 

§ 5

Erforderliche Lösungsmengen

(1) Erfahrungsgemäß genügen für eine einmalige Besprengung von 1 km schwach verkrautetem Gleis etwa 45 kg und von 1 km stark verkrautetem Gleis etwa 90 kg Natriumchlorat, so daß beispielsweise bei einer 3%igen Lösung für 1 km schwach verkrautetem Gleis rund 1,5m3 und für 1 km stark verkrautetem Gleis rund 3,0m3 Lösung erforderlich sind. Bestimmend für die Verwendungsmengen und das Lösungsverhältnis sind in jedem Falle die örtlichen Verhältnisse.

(2) Der Verwendungsbereich einer Sprengwagenzugfüllung ergibt sich aus dem Fassungsvermögen, der Schüttleistung und der Fahrgeschwindigkeit des Zuges.

(3) Bei der Festsetzung des Lösungsverhältnisses und der Fahrgeschwindigkeit des Sprengwagenzuges kann die nachstehende Tafel zum Anhalt genommen werden.

(4) Da sämtliche Düsen für sich abgestellt und nach Bedarf geöffnet werden können, kann der Verbrauch der Lösungsmenge auf ein Mindestmaß eingeschränkt werden.

 

§ 6

Einrichtung der Sprengwagenzüge

(1) Die Sprengwagenzüge werden aus alten Lokomotivtendern von möglichst großem Fassungsvermögen gebildet, die durch Schlauchleitungen miteinander verbunden sind. Am letzten Tender befindet sich die durch eine Pumpe betriebene Sprengvorrichtung. Außerdem ist der Tender am anderen Ende des Zuges mit einer einfachen Brause zu versehen, um bei jeder Zugstellung die Enden von Stumpfgleisen besprengen zu können.

(2) Die Anzahl der zu einem Zug zusammenzusetzenden Tender richtet sich nach dem Abstand und der Leistungsfähigkeit der Wasserstationen sowie nach den örtlichen Betriebsverhältnissen. Das Fassungsvermögen eines Zuges soll im Durchschnitt etwa 120m3 betragen.

(3) Wieviel Züge in Dienst zu stellen sind, ergibt sich aus den örtlichen Verhältnissen. Im allgemeinen gilt als Bedingung, daß innerhalb zweier Monate alle Strecken eines Bezirks besprengt werden können.

(4) Die Sprengvorrichtung des Zuges muß so eingerichtet sein, daß das Gleis in einer Breite von wenigstens 4,50m auf einmal besprengt werden kann, daß aber auch der Bettungskörper oder die beiden Randwege allein und diese wieder je für sich behandelt werden können.

(5) Für den Leiter des Zuges und das Bedienungspersonal ist ein Wohnwagen mitzuführen.

(6) Für den Vorrat an Natriumchlorat dient ein besonderer Güterwagen. Kleinere Mengen Natriumchlorat können auf den Tendern untergebracht werden.

 

§ 7

Ausrüstung der Sprengwagenzüge

Jeder Sprengwagenzug erhält mindestens folgende Ausrüstungsgegenstände:

a)

Geräte:

1

Rühreisen,
5 verzinkte Eimer,
2 eiserne Schaufeln,
1 Piassavabesen,
2 Stahlbürsten zum Reinigen der Sprengvorrichtung,
1 verstellbaren Schraubenschlüssel,
1 Kneifzange,
2 Handhämmer,
1 Faßkette,
1 Schrotleiter,
1 einfaches Hebezeug zum Hochziehen der Fässer auf die Tender,
1 Handfeuerlöschgerät

b)

Signalmittel:

die Zugschlußsignale

1 rote Signalflagge,
2 Haltscheiben mit Laternen,
1 Signalmittelkasten, enthaltend:
1 Blechbüchse mit 6 Knallkapseln,
1 Signalfackelbehälter mit 3 rotleuchtenden Magnesiumfackeln, Fackelstiel und Anzündevorrichtung sowie 6 Knallkapseln.

c)

Dienstvorschriften:

Fahrdienstvorschriften (FV),

Anhang zu den Fahrdienstvorschriften (AzFV),

Fahrplanbücher,

Dienstvorschrift für die Ermittelung der Betriebsleistungen (VBL),

Unfallverhütungsvorschriften (UVV), Teil II,

Richtlinien für die Beseitigung des Unkrautes auf dem Bahnkörper durch Natriumchlorat (RUN).

d)

sonstige Gegenstände:

die vorgeschriebenen Schutzkleidungsstücke in doppelter Anzahl der Bedienungsleute,

10 Verbandpäckchen und Brandbinden,

bei Mitführung eines Wohnwagens die hierfür erforderlichen Ausrüstungsgegenstände.

 

 

§ 8

Leitung und Bedienung der Sprengwagenzüge

(1) Jedem Sprengwagenzug werden ein technischer Reichsbahninspektor als Leiter und je nach Stärke des Zuges 1 bis 3 Arbeiter als Bedienungsleute zugeteilt. Die Sprengarbeiten werden während der ganzen Sprengzeit von demselben Personal ausgeführt. Die Bedienungsleute müssen die Befähigung zum Zugbegleitdienst bei Güterzügen besitzen, da sie neben der Bedienung der Sprengvorrichtungen auch die Bremsen zu bedienen und erforderlichenfalls den Zug zu sichern haben.

(2) In Ausnahmefällen stellt die örtliche Bahnmeisterei zum Verladen der Fässer Hilfskräfte.

 

§ 9

Versorgung der Züge mit Natriumchlorat und Wasser

(1) Das Natriumchlorat wird an geeigneten Stellen des Bezirks gelagert, bei denen der Zugleiter die jeweils erforderlichen Mengen unmittelbar anfordert. Im Zuge selbst ist ein entsprechender Vorrat in besonderen Wagen mitzuführen.

(2) Da die Füllung des Sprengwagenzuges nur für einen bestimmten Streckenabschnitt ausreicht, sind die Fahrten von der Erreichung einer Wasserstation abhängig. Der Zugleiter hat den zuständigen Bahnhof und das Bahnbetriebswerk rechtzeitig über den Wasserbedarf zu unterrichten, damit für genügenden Wasservorrat gesorgt wird. Wenn ausnahmsweise der Wasservorrat für die Füllung sämtlicher Tender nicht ausreicht, muß das Wasser in Teilmengen, gegebenenfalls morgens und abends, entnommen werden.

 

§ 10

Regelung und Verlauf der Sprengwagenzugfahrten

(1) Die Reichsbahndirektion bestimmt den Zeitpunkt für die Inbetriebsetzung der Sprengwagenzüge und legt die Bezirke fest, in denen die einzelnen Züge arbeiten sollen.

(2) Die Sprengwagenzüge verkehren als Arbeitszüge, die auf Antrag des Zugleiters eingelegt werden. Wegen der geringen Fahrgeschwindigkeit der Sprengwagenzüge müssen die Fahrten möglichst in größere Zugpausen gelegt werden. Bei der Eigenart des Zugdienstes, der eine Bindung an einen bestimmten Arbeitszugfahrplan im voraus nicht zuläßt, müssen von vornherein für jede Strecke mehrere Arbeitszugpläne vom Reichsbahn-Betriebsamt aufgestellt und bekanntgegeben werden. Innerhalb der Bahnhöfe sind die Zugfahrten als Rangierfahrten zu behandeln. Bei der Aufstellung der Fahrpläne ist auf den Wechsel in der Reihenfolge der jährlichen Besprengungen Rücksicht zu nehmen (siehe § 3).

(3) Die Sprengwagenzugfahrten sind nach Abrechnungsvorschrift 20 § 23 als Sonderzugfahrten zu behandeln.

(4) Der Sprengtender soll möglichst an der Spitze des Zuges stehen, damit der Bedienungsmann die zu besprengende Strecke gut übersehen kann. Der Sprengwagenzug ist deshalb bei Fahrten bis 25 km/h in der Regel zu schieben (siehe FV § 38 (10)).

(5) Die Anweisung zum Öffnen der Ventile gibt der Zugleiter. Beim Befahren von Wegübergängen und Wegunterführungen ist besonders darauf zu achten, daß Personen nicht bespritzt werden. Ebenso ist auf bebaute Ländereien neben den Gleisen Rücksicht zu nehmen.

(6) Vor der Besprengung eines Bahnhofs hat der Vorsteher des Bahnhofs die Gleise und Bahnsteige rechtzeitig räumen zu lassen. Der Zugleiter hat sich deshalb vor seinem Eintreffen mit dem Dienstvorsteher ins Benehmen zu setzen. Die Vorsteher der Bahnhöfe und Bahnmeistereien haben den Zugleiter so zu unterstützen, daß die Fahrten schnell und ungehindert durchgeführt werden können.

 

§ 11

Aufschreibungen

Über die Leistungen der Sprengwagenzüge und die Kosten der Entkrautung hat der Zugleiter Aufschreibungen nach Vordruck 899 03 zu führen und dem zuständigen Betriebsamt vorzulegen. Außerdem sind der örtlichen Bahnmeisterei schriftlich die besprengten Gleise zu bezeichnen.

 

§ 12

Reinigen der Tender

Nach Beendigung oder bei längerer Unterbrechung der Sprengarbeiten hat der Zugleiter die gründliche Reinigung und Spülung der Tender zu veranlassen und dafür zu sorgen, daß alle Tender vollständig entleert werden. Er hat die Erledigung der Reichsbahndirektion anzuzeigen und dabei auch über etwa vorgefundene Schäden am Zuge zu berichten.

 

§ 13

Vorsichtsmaßregeln

(1) Natriumchlorat ist, äußerlich mit dem menschlichen Körper in Berührung gebracht, nicht giftig. Es darf aber auf keinen Fall in die Verdauungsorgane gelangen, da schon eine Menge von 15 bis 20g, auf einmal genommen, zu Gesundheitsschädigungen führt. Bei den Arbeiten mit Natriumchlorat darf nicht geschnupft und nicht gepriemt werden. Vor jeder Mahlzeit haben die Bediensteten die Hände gründlich zu reinigen. Ein Reiben der Augen mit den mit Natriumchlorat oder seiner Lösung behafteten Hände ist zu vermeiden, weil dadurch Entzündungen hervorgerufen werden können.

(2) Natriumchlorat ist unvermischt nicht brennbar. Es darf aber mit brennbaren Stoffen wie Kohle, Sägespäne, Pech, Öl usw. nicht gemischt oder verunreinigt werden, weil sonst Mischungen entstehen, die durch glimmende Stoffe, heftigen Schlag, durch Reibung oder durch Einwirkung der Sonne entzündbar sind. Auch Kleiderstoffe, Lederschuhe und Holzteile sind, wenn sie mit Natriumchlorat in Berührung gekommen sind oder wenn Natriumchloratlösung an ihnen eingetrocknet ist, leicht entzündbar. Solange die Kleidungsstücke naß bleiben, ist ein Entzünden nicht möglich, da Natriumchlorat, im Wasser gelöst, nicht brennbar ist. Erst wenn die von Natriumchloratlösung bespritzte oder durchnäßte Kleidung trocknet, wird sie gefährlich gegenüber Feuer.

(3) Für jeden Bediensteten, der mit Natriumchlorat in Berührung kommt, sind Schutzkleider nach besonderer Vorschrift in doppelter Zahl vorzuhalten. Es ist streng darauf zu halten, daß die Schutzkleidungsstück vor Beginn der Arbeiten angelegt werden. Täglich nach Beendigung der Sprengarbeiten, nötigenfalls auch vor einer längeren Arbeitspause, sind die Schutzkleider und alle mit Natriumchlorat oder seiner Lösung in Berührung gekommenen Kleidungsstücke und Schuhe in reinem Wasser gründlich zu waschen, zu spülen und zu trocknen.

(4) Wenn mit Natriumchloratlösung behaftete Gegenstände in Brand geraten, sind sie nicht durch Abdecken, sondern durch Wasser zu löschen. Es ist deshalb bei allen Arbeiten mit Natriumchlorat ein Eimer Wasser bereit zu halten.

(5) Natriumchlorat oder Stoffe, die mit Natriumchlorat vermischt oder behaftet sind, dürfen nicht in glühende Kohlen geworfen werden.

(6) Beim Umgang mit Natriumchlorat ist das Rauchen verboten. Offenes Licht oder Feuer ist zu vermeiden, auch etwaige Funkenbildung durch Nagelschuhe.

(7) Zu stark mit Natriumchloratlösung bespregte Flächen können sich leicht  entzünden. Die Sprengvorrichtungen der Züge sind daher während des Haltens gut zu schließen, damit ein Nachtropfen vermieden wird.

(8) Flächen, die durch Kohlenstaub oder andere organische Stoffe verunreinigt sind, dürfen nur bei feuchtem Wetter mit Natriumchlorat behandelt werden.

(9) In unmittelbarer Nähe von Schuppen, Zäunen oder dergleichen aus Holz sowie an Stellen, die von Dritten häufig begangen werden (z B Ladestraßen, Wegübergänge usw), ist Natriumchlorat nicht zu verwenden.

(10) Natriumchlorat ist nur in geschlossenen Blechgefäßen - also nicht lose - zu lagern. Die Aufbewahrung in Säcken, Holzkästen und Holzeimern ist verboten.

(11) Die Fässer sind vorsichtig zu behandeln. Sie dürfen nicht vom Wagen abgworfen werden.

(12) In Gefäßen hart gewordenes Natriumchlorat darf nicht durch Stoß zerkleinert werden, sondern ist mit Wasser anzufeuchten und erst dann zu entnehmen.

(13) Die Böden von Eisenbahnwagen und Lagerschuppen, in welchen Natriumchlorat befördert oder gelagert worden ist, müssen von verstreuten Natriumchloratresten durch sorgfältiges Auskehren gesäubert und gründlich mit Wasser ausgespült werden. Ebenso ist auf den Tendern verstreutes Natriumchlorat vor vollständiger Füllung der Tender mit Wasser aus dem Kran abzuspülen. Holzbohlen dürfen auf den Tendern als Unterlage nicht benutzt werden.

(14) Da Natriumchlorat Feuchtigkeit anzieht, muß es in trockenen und sehr sauber gehaltenen Räumen gelagert werden. Eine längere Lagerung ist möglichst zu vermeiden. Wenn sie nicht zu umgehen ist, darf das Mittel nur in den geschlossenen eisernen Fässern gelagert werden, in denen es angeliefert worden ist. Geöffnete Fässer sind nach nur teilweiser Entnahme des Natriumchlorats wieder zu schließen. Bei Entnahme der Masse aus den Fässern sind saubere eiserne oder emaillierte Schaufeln und saubere Blech- oder Emaillegefäße zu verwenden.

(15) Die Benutzung hölzerner Schaufeln oder Gefäße ist verboten.

 


Quellen:

Das Illustrierte Blatt - Frankfurter Illustrierte, 24. Jahrgang / Nr. 39 vom 29. September 1936

DR - Oberbauvorschriften DV 820 gültig vom 1. Oktober 1939 an

Lexikon der Eisenbahn, Berlin (Ost) 1981


© Joachim Fricke 2006 / 2016