Erzbergwerk Grund - Dienstanweisung 

für Fahrdrahtlokomotiven


 

In einem Bergwerk gibt es eine Reihe von Transportaufgaben, die unter der Bezeichnung Grubenförderung zusammengefasst werden. Dazu gehört neben dem Transport des gewonnenen Gutes sowie des Versatzes zum Verfüllen der ausgebeuteten Hohlräume auch die Beförderung der Bergleute, Maschinen und Geräte.

Bei der Förderung in den untertägigen Strecken bzw. auch übertage kamen früher meist gleisgebundene Fahrzeuge zum Einsatz. Heute dagegen werden oft gleislose Fördereinrichtungen wie Förderbänder, Lkws und Radlader (LHD-Technik: Load, Haul and Dump / Laden-Transportieren-Abkippen) genutzt.

Bis in die 80er-Jahre des 19. Jahrhunderts wurde bei der gleisgebundenen Streckenförderung die Förderwagen (Hunte) durch Menschen oder Pferde bewegt (In einigen Einzelfällen bis in die 1950er Jahre). Die immer größere Entfernung zwischen den Schächten bzw. Stollenmundlöchern und den Abbaugebieten erforderte nun aber den Einsatz von Lokomotiven, wobei die sonst üblichen Dampflokomotiven untertage wegen ihrer Abgase kaum einzusetzen waren.

Im August 1882 erfolgte am Oppelschacht des Königlich Sächsischen Steinkohlenwerks Zauckerode (heute Ortsteil von Freital) die Inbetriebnahme der ersten elektrischen Grubenlokomotive der Firma Siemens & Halske. Nach der Überwindung anfänglicher Schwierigkeiten übernahm die Maschine, die den Namen "Dorothea" erhalten hatte, die Streckenförderung auf dem 620m langen 5. Hauptquerschlag dieser Grube. Hier waren stündlich über 40 Hunte (250kg Leergewicht / 725kg Kohle) zu befördern, was bis dahin ausschließlich mit Pferden bewältigt wurde.

Von 1883 bis 1902 entstanden bei Siemens noch 52 ähnliche Lokomotiven, in deren Bau die gesammelten Erfahrungen mit der Dorothea einflossen. Auch das Steinkohlenbergwerk in Zauckerode beschaffte 1891 nochmals eine 2. Lokomotive dieses Typs. Nach der Stillegung des Oppelschachtes 1927 wurde die "Dorothea" an Siemens zurückgegeben. Heute ist sie in den Städtischen Sammlungen Freital auf Schloss Burgk ausgestellt.

Lok "Dorothea"

Mit der "Dorothea" konnte die wirtschaftliche Überlegenheit der elektrischen Streckenförderung bewiesen werden, was in den folgenden Jahren zu einer weiten Verbreitung dieses Systems führte.

Grundsätzlich unterscheidet man bei den elektrischen Lokomotiven Fahrdraht- und Akkumulatorlokomotiven sowie kombinierte Systeme. Für den Betrieb der hier besprochenen Fahrdrahtlokomotiven ist eine an der Firste der Strecke angebrachte Oberleitung erforderlich, von der Gleichstrom über einen an der Lokomotive befestigten Stromabnehmer entnommen wird. Die Rückführung des Stroms erfolgt dabei über die Schienen. Die verwendete Spannung liegt meist im Bereich zwischen 220 und 500 Volt.

Zur Ausrüstung der Fahrdrahtlokomotiven gehören meist zwei Gleichstrommotoren, die über eingeschaltete Vorwiderstände mit Strom versorgt werden. Durch einen Fahrschalter wird die Spannung an den Fahrmotoren in Stufen bis zum Erreichen der Höchstgeschwindigkeit geregelt. Meist besteht die Möglichkeit durch Reihenschaltung der Motoren beim Anfahren die Motorspannung zu reduzieren um ein Durchdrehen der Lokomotivräder zu vermeiden. Nach dem Anfahren werden die Motoren dann wieder parallel geschaltet um eine höherer Geschwindigkeit zu erreichen. Die Höchstgeschwindigkeit der Fahrdrahtlokomotiven liegt meist im Bereich bis ca. 18 km/h.

Fahrdrahtlok 4 (SSW 1942 / 4441 Typ NB 431) mit einer Spurweite von 

750mm des Erzbergwerks Bad Grund als Denkmal am Ramada-Treff Hotel in Goslar.

 

Foto: Joachim Fricke (2007)

Wegen der Funkenbildung zwischen dem Stromabnehmer und der Oberleitung ist der Einsatz von Fahrdrahtlokomotiven in schlagwettergefährdeten Gruben nicht oder nur bedingt möglich. In diesen Bereichen kamen bzw. kommen Akkumulator-, Druckluft- oder Diesellokomotiven zum Einsatz.

Die im Folgenden wiedergegebene Dienstanweisung aus dem ehemaligen Erzbergwerk Bad Grund im Harz beschreibt die wichtigsten Regeln beim Einsatz von Fahrdrahtlokomotiven im Bergbau.


Titel der: 

Dienstanweisung für  die mit der Wartung und dem Betrieb der Fahrdrahtlokomotiven beschäftigten Personen, Goslar 1960

 

Sammlung: Joachim Fricke


 

Dienstanweisung

für die mit der Wartung und dem Betrieb der Fahrdrahtlokomotiven beschäftigten Personen (Sachkundige, Lokomotivführer, Förderaufseher, Rangierer, Weichensteller, Ankuppler usw.) des Erzbergwerks Grund.

 

Folgende Bestimmungen sind besonders zu beachten für:

Sachkundige (zur Wartung der Lokomotiven)

§§ 1 - 3, 4 - 8, 13, 14, 24, 31, 33, 34

Lokomotivführer

§§ 1 - 3, 5, 7, 9 - 25, 28 - 30, 33, 34

Förderaufseher und Zugbedienungsleute

§§ 1 - 3, 7, 8, 12, 14, 15, 18, 20, 22, 23, 26 - 32, 33, 34.

 

I. Allgemeines

§ 1

Der Fahrdrahtlokomotivbetrieb wird durch eine vom Betriebsführer für jede Schicht beauftragte verantwortliche Aufsichtsperson überwacht. Die Namen dieser Aufsichtspersonen sind am Lokomotivraum auszuhängen.

 

§ 2

Mit der Wartung und Bedienung von Lokomotiven dürfen nur Personen betraut werden, die mindestens 20 Jahre alt und über ihre Dienstobliegenheiten und die Gefahren des elektrischen Stromes genau unterrichtet und im Gebrauch des Handfeuerlöscher ausgebildet sind; sie müssen wenigstens sechs Monate unter Tage beschäftigt gewesen sein. Die Namen dieser Personen sind in das Zechenbuch einzutragen. Die Lokomotivführer müssen dem Bergamt ihre Befähigung nachweisen.

 

§ 3

(1) Den mit der Wartung und Bedienung der Lokomotiven betrauten Personen sowie den Förderaufsehern, Rangierern, Weichenstellern, Ankupplern usw. ist über ihre Dienstobliegenheiten und ihr gegenseitiges Dienstverhältnis diese vom Bergamt schriftlich genehmigte Dienstanweisung gegen Empfangsbescheinigung auszuhändigen.

(2) Das Zugbegleitpersonal ist vor seinem erstmaligen Einsatz von einer geeigneten Aufsichtsperson eingehend zu unterweisen. Dabei ist insbesondere auch auf richtiges und unfallsicheres An- und Abkuppeln der Wagen sowie richtiges Verhalten bei Entgleisungen und sonstigen Störungen einzugehen.

 

II. Dienstanweisung für die mit der Wartung 

der Lokomotiven betrauten Personen (Sachkundigen)

§ 4

(1) Die Lokomotiven sind wöchentlich wenigstens einmal äußerlich und innerlich gründlich von einem Sachkundigen zu untersuchen.

(2) Der Befund dieser Untersuchungen ist unter Angabe des Namens der untersuchenden Person in ein Prüfungsbuch einzutragen; dieses ist wenigstens drei Jahre lang aufzubewahren.

 

§5

(1) Die mit der Wartung der Lokomotiven betrauten Personen haben darauf zu achten, daß

a) die Lokomotiven, insbesondere die arbeitenden Teile, in sauberem Zustand und gut geschmiert sind,

b) die Schmiergefäße rein, genügend gefüllt, ordnungsmäßig verschlossen und schmierfähig sind,

c) die Bremsen gängig und gut wirksam sind,

d) die Sandstreuvorrichtungen gefüllt und in Ordnung sind,

e) die Stromabnehmer in Ordnung sind und einwandfrei arbeiten,

f) die Vorrichtungen zum Abziehen der Bügel vom Führersitz aus in Ordnung und im abgezogenen Zustand feststellbar sind,

g) die Kurzschlußschalter in Ordnung sind,

h) die zur Lokomotive gehörenden Zubehörteile und Werkzeuge einschließlich der zum Wiedereinheben entgleister Lokomotiven oder Wagen erforderlichen Hilfsmittel vorhanden und in gutem Zustand sind.

(2) Das Flicken der Sicherungen oder das Einsetzen zu hoher Sicherungen oder das Festlegen von Selbstschaltern ist verboten.

(3) Lokomotiven mit erheblichen Mängeln dürfen nicht in Dienst gestellt werden.

 

§ 6

Die an der Lokomotive angebrachte Scheinwerferlampe mit Abblendvorrichtung muß stets in gutem Zustand sein. Schutzglas und Schutzstäbe müssen unversehrt sein; sonst sind sie zu ersetzen.

 

§ 7

(1) Nur wenn die Lokomotiven stillstehen und spannungsfrei gemacht sind, dürfen sie geschmiert und ausgebessert werden. Dabei sind die Stromabnehmer abzuziehen und festzustellen.

(2) Wenn während der Schicht in den unter Spannung stehenden Strecken notwendige Ausbesserungsarbeiten vorgenommen werden, muß der Strom vorher ausgeschaltet und das Wiedereinschalten durch Unbefugte verhindert werden.

(3) Bei Arbeiten an der Fahrleitung ist die Arbeitsstelle unter allen Umständen durch Kurzschließen von Fahrdraht und Schiene mittels einer isolierten Kupferlitze von mindestens 100mm2 Querschnitt zu sichern. Diese ist zuerst an die Schiene und dann erst an die Fahrleitung anzuschließen. Beim Entfernen der Kurzschlußleitung ist zuerst die Verbindung mit dem Fahrdraht und dann erst die Verbindung mit den Schienen zu lösen.

(4) Der Strom darf nach den genannten Arbeiten erst dann wieder eingeschaltet werden, wenn die Kurzschlußverbindung entfernt ist und sämtliche bei diesen Arbeiten beschäftigten Personen die Arbeitsstelle verlassen haben.

(5) Ist während der Schicht von irgendeiner Stelle in der Strecke die Ausschaltung des Stromes veranlaßt worden, so darf die Einschaltung auch nur von dieser Stelle aus wieder veranlaßt werden.

 

§ 8

Für die Einhaltung der in § 7 genannten Bestimmungen trägt derjenige die Verantwortung, der den Auftrag zur Ausführung der betreffenden Arbeiten gegeben hat, falls nicht eine andere sachverständige Aufsichtsperson die Arbeit unmittelbar überwacht.

 

III. Dienstanweisung für die Lokomotivführer

§ 9

Der Lokomotivführer muß mit der Arbeitsweise der Lokomotive, vor allem auch des Kurzschlußschalters und der Bügelabzieh- und Feststellvorrichtung im einzelnen vertraut sein.

 

§ 10

(1) Der Lokomotivführer muß die Lokomotive vor jeder Inbetriebnahme äußerlich genau untersuchen und für guten Verschluß der Schmiergefäße sorgen.

(2) Das Fahren mit nicht ordnungsmäßiger Maschine ist verboten.

 

§ 11

(1) Der Lokomotivführer hat alle festgestellten Mängel unverzüglich der in § 1 dieser Dienstanweisung genannten Aufsichtspersonen zu melden.

(2) Veränderungen an einzelnen Teilen der Lokomotiven dürfen eigenmächtig nicht vorgenommen werden.

 

§ 12

(1) An jeder Lokomotive dürfen nicht mehr beladene oder leere Förderwagen angehängt werden, als zulässig ist und in der an der Lokomotive vorhandenen Aufschrift angegeben ist.

(2) Die in einem Güterzuge zur Personenbeförderung dienenden leeren Wagen müssen unmittelbar hinter der Lokomotive angehängt werden. Holztransportwagen (Teckel) dürfen diesen Wagen nicht unmittelbar folgen.

(3) Wagen mit Langholz und langem Material (Schienen, Rohren usw.) dürfen nicht unmittelbar hinter die Lokomotive gehängt werden. Hochgestelltes Holz und Material darf nicht seitlich überstehen und nicht so hoch ragen, daß die Fahrleitung berührt oder beschädigt wird.

 

§ 13

(1) An den Lokomotiven soll möglichst nur in den Lokomotiv- und Ausbesserungsräumen gearbeitet werden.

(2) Unbeaufsichtigt dürfen fahrbereite Lokomotiven nur in den Lokomotiv- und Ausbesserungsräumen stehen.

(3) In den Bahnstrecken dürfen die diensttuenden und die zwischen Zügen eingeschlossenen Lokomotiven auch während des Stillstandes nur dann unbeaufsichtigt gelassen werden, wenn geeignete Maßnahmen getroffen sind (z.B. Abnehmen der Fahrkurbel oder des Fahrtrichtungshebels sowie Anziehen der Handbremse), die ein Ingangsetzen durch Unbefugte verhindern.

 

§ 14

Nur Lokomotivführer, Sachkundige (§ 4) und Aufsichtspersonen des Lokomotivbetriebes dürfen Lokomotiven in Gang setzen.

 

§ 15

(1) Während des Lokomotivbetriebes muß vorn an der Lokomotive eine hell leuchtende Lampe mit Scheinwerfer brennen. Ist der Scheinwerfer mit Abblendeeinrichtung versehen, so muß er beim Begegnen von Lokomotiven oder beim Entgegenkommen von Personen rechtzeitig abgeschaltet werden. Fehlt die Abblendeeinrichtung, so ist die Beleuchtung in diesen Fällen kurzfristig auszuschalten.

(2) Die Züge müssen am letzten Wagen ein rotes gut sichtbares Schlußzeichen haben.

(3) Der Lokomotivführer muß eine tragbare Grubenlampe mit sich führen.

(4) In den Bahnstrecken dürfen unbeleuchtete Lokomotiven nur dann ohne Aufsicht gelassen werden, wenn sie dadurch nicht den Fahrbetrieb gefährden.

 

§ 16

(1) Vor dem Anfahren hat der Lokomotivführer laute Warnsignale zu geben.

(2) Der Lokomotivführer hat die Lokomotive von seinem Sitz aus zu bedienen und hierbei die Strecke ständig zu beobachten. Er hat sich so hinzusetzen, daß er die zu durchfahrende Strecke übersehen kann. Das Hinauslehnen aus der Lokomotive ist verboten. Der Lokomotivführer hat darauf zu achten, daß die auf dem Begleitersitz mitfahrende Person sich entsprechend verhält.

(3) Bemerkt der Lokomotivfahrer in den von der Lokomotive zu befahrenden Strecken während der Fahrt Personen, so hat er diese durch laute Signale zu warnen. Vor dem Durchfahren von Kurven, Wettertüren, Bahnhöfen und solchen Stellen, an denen Abzweigungen vorhanden sind, hat der Lokomotivführer ebenfalls Warnungszeichen zu geben und außerdem langsam zu fahren.

 

§ 17

(1) Das Verlassen und Besteigen des Führersitzes während der Bewegung der Lokomotive ist streng verboten.

(2) Muß der Lokomotivführer zum Bedienen von Weichen oder Wettertüren absteigen, so muß er vorher die Lokomotive vor der Weiche oder Wettertür anhalten, Fahrschalter und Fahrtrichtungshebel auf Null stellen und die Handbremse fest anziehen. Werden Weichen oder Wettertüren anderweitig bedient, so darf der Lokomotivführer erst hindurchfahren, nachdem er sich überzeugt hat, daß keine Hindernisse vorhanden sind.

(3) Das Aufschneiden der von Hand betätigten Weichen ist untersagt.

(4) Fahrdrahtendstellen dürfen nicht überfahren werden. Ist dieses versehentlich doch geschehen, so ist es strengstens verboten, eine anderweitig leitende Verbindung zwischen Fahrdraht und Stromabnehmerbügel herzustellen und unter Strom zurückzufahren.

 

§ 18

(1) Die Lokomotive muß außer beim Verschiebedienst stets vor dem Zuge fahren.

(2) Wenn die Lokomotive beim Verschieben den Zug drückt, darf nur langsam gefahren werden. An der Stirnwand des vordersten Wagens ist eine Lampe anzubringen. Dem Zug hat außerdem ein Mann voranzugehen, der andere in den Strecken befindliche Personen zu warnen hat.

 

§ 19

(1) Damit sich die Widerstände nicht zu sehr erwärmen, soll der Lokomotivführer, abgesehen vom Anfahren und Beschleunigen, bei Dauerfahrt nur auf den hierfür vorgesehenen Kontakten fahren.

(2)  Beim Sandstreuen sind die Streuvorrichtungen zu benutzen. Es darf jeweils nur eine Schiene bestreut werden, damit ein Teil der Lokomotivräder Strom zur Schiene leiten kann, und keine Berührungsgefahr der Lokomotive eintritt.

(3) Der Lokomotivführer hat die Fahrgeschwindigkeit so einzurichten, daß er jederzeit in der Lage ist, die Lokomotive bei Gefahr für Menschen und Betrieb rechtzeitig zum Halten zu bringen. Dies gilt besonders an unübersichtlichen Stellen, bei entgegenkommenden Zügen, bei Fahrten während der Schichtwechsel usw.

(4) Die Höchstgeschwindigkeit darf 2,5m/sec nicht übersteigen. Der Abstand zwischen fahrenden Zügen oder Lokomotiven muß mindestens 50m betragen.

 

§ 20

(1) Auf dem Führersitz der Lokomotive darf außer dem diensttuenden Lokomotivführer niemand mitfahren.

(2) Auf dem Begleitersitz, sofern ein solcher vorhanden ist, dürfen die im Lokomotivbetrieb beschäftigten Personen mitfahren. Wird der Begleitersitz nicht von diesen in Anspruch genommen, so dürfen Aufsichtspersonen, leicht Erkrankte oder Verletzte und solche Personen mitfahren, denen die zuständige Aufsichtsperson im jeweiligen Einzelfalle aus betrieblichen Gründen das Mitfahren erlaubt hat. Das Mitfahren auf dem Begleitersitz ist dabei nur soviel Personen erlaubt, als Plätze vorhanden sind.

(3) In leeren Wagen unmittelbar hinter der Lokomotive - mit Ausnahme des ersten Wagens - ist das Mitfahren dem Förderpersonal und den Aufsichtspersonen gestattet. Das Gleiche gilt für Kranke und Verletzte sowie ihre Begleiter und andere Personen mit jeweiliger Erlaubnis der zuständigen Aufsichtspersonen.

(4) Das Mitfahren auf beladenen Wagen ist streng verboten.

(5) Der Lokomotivführer ist mit verantwortlich, wenn er Zuwiderhandlungen nach Abs. 1 bis 4 geduldet hat.

 

§ 21

Wenn in unübersichtlichen eingleisigen Strecken mit Hin- und Rückverkehr Streckensicherungen und Signalvorrichtungen vorhanden sind, so hat der Lokomotivführer, soweit keine automatische Sicherung besteht, bei Einfahrt die Strecke für anderen Lokomotivverkehr zu sperren. Die Sperrung ist bei der Ausfahrt wieder aufzuheben.

 

§ 22

(1) Zum Aufgleisen entgleister Förderwagen mittels Lokomotiven oder Schlepperhaspel sind nach Möglichkeit transportable Aufgleiser oder in unmittelbarer Nähe vorhandene, fest eingebaute Aufgleiser oder zum Aufgleisen eingerichtete Weichen zu benutzen.

(2) Sind keine der oben erwähnten Aufgleisvorrichtungen vorhanden oder können diese aus besonderen Gründen (z.B. abgeschalteter Fahrdraht) nicht benutzt werden, sind, insbesondere wenn es sich um große oder beladene kleine Förderwagen handelt, Hebebäume, Winden oder andere Hebezeuge zu verwenden.

(3) Beim Aufgleisen ist besonders zu beachten, daß sich niemand im Gefahrenbereich aufhält. Jeder hat sich so zu verhalten, daß er von umstürzenden Wagen, reißenden Seilen oder abgleitenden Hebezeugen nicht getroffen werden kann. Neben dem gezogenen oder gedrückten entgleisten Wagen darf niemand hergehen.

(4) Beim Aufgleisen ist der aufzugleisende Wagen, sofern die Arbeit mittels Lokomotive oder Haspel geschieht, nach Möglichkeit zu ziehen und nicht zu schieben.

(5) Wagen oder restliche Zugteile, die nicht entgleist sind, sind vor der Wiederaufgleisarbeit nach Möglichkeit abzukuppeln und festzulegen.

(6) Bei größeren Entgleisungen oder Zusammenstößen oder bei sonstigen Vorkommnissen, die eine Gefahr für Menschen oder für die Anlage zur Folge haben können, ist die Strecke erst durch den Kurzschlußschalter auf der Lokomotive unverzüglich spannungsfrei zu machen, und dann der in Richtung der Stromquelle zunächst gelegene Streckenschalter auszuschalten. Um ein unbefugtes Wiedereinschalten zu verhindern, ist der betreffende Streckenschalter zu bewachen oder durch ein Warnungsschild zu sichern. Beim Wiedereinschalten nach Beseitigung der Störung ist zuerst der Kurzschluß aufzuheben und dann der Streckenschalter einzulegen. Über das Aus- und Einschalten ist der Schalttafelwärter zu benachrichtigen.

 

§ 23

Während der Schicht festgestellte Mängel an den Fahrdrahteinrichtungen, Gleisen, Weichen und dergleichen, am Ausbau sowie wahrgenommene Störungen an der Wetterführung hat der Lokomotivführer unverzüglich der zuständigen Aufsichtsperson zu melden.

 

§ 24

(1) Bei Beendigung der Förderschicht muß die Lokomotive, soweit nicht § 13 Abs. 3 eine Ausnahme zuläßt, in den zu ihrer Aufstellung bestimmten Raum gebracht werden. Der Raum ist gut zu verschließen und darf nur von den Aufsichtspersonen, den Lokomotivführern und sonstigen Beauftragten betreten werden.

(2) Der Lokomotivführer hat auch geringe, während der Schicht an der Lokomotive beobachtete Mängel, am Schichtende der in § 1 genannten Aufsichtsperson zu melden.

 

§ 25

Für die Lokomotivführer gelten die §§ 5, 28, 29 und 30 dieser Dienstanweisung entsprechend.

 

IV. Dienstanweisung für die Förderaufseher, 

Rangierer, Weichensteller, An- und Abkuppler usw.

§ 26

(1) Die Förderaufseher haben die zum Lokomotivbetrieb benutzten Fördergleise, den Fahrdraht und die sonstigen Förderbetriebsmittel täglich mindestens einmal eingehend zu untersuchen und außerdem während der Schicht ihren Zustand dauernd zu überwachen.

(2) Etwa erforderliche Instandsetzungsarbeiten sind von dem betreffenden Aufseher unverzüglich zu veranlassen.

(3) Am Streckenausbau festgestellte Mängel sind, soweit es sich um größere Instandsetzungsarbeiten handelt, sofort der zuständigen Aufsichtsperson zu melden, die das Erforderliche zu veranlassen hat.

 

§ 27

(1) Die Förderaufseher haben dafür zu sorgen, daß der gesamte Fahr-, Förder- und Verschiebebetrieb sich in ordentlicher Weise abwickelt, daß die Wagen in den Gleisen ordnungsgemäß aufgestellt und die Züge richtig zusammengesetzt und nicht zu lang sind. Sie haben besonders darauf zu achten, daß die Wagen so beladen sind, daß eine Berührung des Fahrdrahtes nicht möglich ist.

(2) Die Förderaufseher sind dafür verantwortlich, daß die zur Sicherung des Betriebes notwendigen Einrichtungen in Ordnung sind.

 

§ 28

(1) Es darf unter dem Fahrdraht nicht mit anderen Lokomotiven gefahren werden, wenn nicht Abweichungen besonders zugelassen sind.

(2) In den Lokomotivstrecken darf während des Lokomotivbetriebes jeder Betrieb mit von Hand bewegten Fahrzeugen nur auf Anweisung einer Aufsichtsperson stattfinden. Die Aufsichtsperson hat die Art der Sicherung der hierbei Beschäftigten und des Lokomotivbetriebes zu bestimmen.

 

§ 29

(1) Nur während des Stillstandes der Lokomotive dürfen Wagen oder Wagenzüge an- oder von Hand abgekuppelt werden.

(2) Der Rangierer, Weichensteller oder An- und Abkuppler darf erst dann die Lokomotive an den fertigen Zug kuppeln, wenn alle Wagen des Zuges miteinander verbunden sind.

(3) Der Rangierer, Weichensteller oder An- und Abkuppler darf dem Lokomotivführer das Zeichen zum Einfahren in eine Weiche erst dann geben, wenn er persönlich festgestellt hat, daß die Weiche richtig steht und daß die Bahn in der Fahrtrichtung frei ist.

(4) Bei Ankunft einer Lokomotive ist dem Führer, falls die Weichen nicht richtig stehen oder die Bahn nicht frei ist, rechtzeitig das Haltsignal zu geben.

 

§ 30

(1) Rangierer, Weichensteller und Ankuppler haben für die Ausführung von Bewegungen der Lokomotive hörbare oder sichtbare Signale zu geben.

(2) Hörbare Signale sind mit einer scharf tönenden Signalpfeife, sichtbare Signale durch Bewegen der Handlampe in folgender Weise zu geben:

Signale mit der Pfeife:

1. Halt

ein Pfiff,

2. Vorwärts (Abfahren)

zwei Pfiffe,

3. Rückwärts (Zurückdrücken)

drei Pfiffe.

 

Signale mit der Handlampe:

1. Halt

Kreisförmiges Bewegen,

2. Vorwärts (Abfahren)

Auf- und Abbewegen,

3. Rückwärts (Zurückdrücken)

Hin- u. Herbewegung in waagerechter Richtung

 

§ 31

Die auf dem Begleitersitz der Lokomotive mitfahrenden Personen haben so Platz zu nehmen, daß sich keine Körperteile seitlich außerhalb des Maschinenkastens befinden, daß eine Berührung mit dem Fahrdraht ausgeschlossen ist sowie daß sie dem Lokomotivführer nicht die erforderliche Sicht nehmen. Sie haben dabei den Weisungen des Lokomotivführers zu folgen.

 

§ 32

Für Förderaufseher, Rangierer, Weichensteller, An- und Abkuppler usw. gelten die §§ 13-15, 16(1), 20, 22 und 23 dieser Dienstanweisung entsprechend.

 

V. Verhalten bei Unglücksfällen durch den 

elektrischen Strom

§ 33

(1) Bei Unglücksfällen durch Einwirkung des elektrischen Stromes, bei denen der Betroffene infolge eines eingetretenen Krampfzustandes noch die Oberleitung oder einen spannungsführenden Teil der Lokomotive oder der Bahnanlage umfaßt, ist durch eine der folgenden Maßnahmen die Stromeinwirkung schnellstens zu beseitigen:

a) Einlegen des Kurzschlußschalters, wenn eine Lokomotive in der Nähe ist;

b) Ausschalten des zum Umformer hin nächstgelegenen Streckenschalters, wenn dieser schnell erreicht werden kann;

c) Veranlassen des Abschaltens des betreffenden Streckenteiles im Umformerraum mittels Fernsprechers, wenn ein solcher in der Nähe ist;

d) Abziehen des Verunglückten, indem der Helfer mit geschützten Händen nur die trockene Kleidung des Betroffenen anfaßt, nachdem er sich zuvor selbst einen isolierenden Standort durch Unterlegen von trockenen Kleidern oder Holzteilen verschafft hat. Auch ein Gummischlauch, ein trockenes Hanfseil oder dergleichen nicht leitende Hilfsmittel können zum Abziehen oder eine Holzstange zum Abzwängen des Betroffenen benutzt werden.

Auch das Hochheben der Beine des unter Spannung Stehenden kann schnellstens zum Ziele führen. Es kann gefahrlos aber nur geschehen, wenn der Helfende sich einen gut isolierenden Standort geschaffen hat und vermeiden kann, daß nackte Teile seines Körpers mit solchen des Verunglückten in Berührung kommen. Berührt ein gerissener Fahrdraht oder andere stromführende Teile einen liegenden Verunglückten, so sind sie abzuheben, sobald die Abhebenden völlig isoliert stehen.

(2) Ist der Verunglückte vom Strom befreit und dann noch bewußtlos, so ist er an Ort und Stelle hinzulegen, möglichst einzuhüllen, und es ist sofort mit der Wiederbelebung durch künstliche Atmung zu beginnen. Ist der Helfende nicht allein, so sind sofort Hilfe herbeizurufen sowie der Steiger oder Förderaufseher und vor allem die Sanitätshilfsstellen über Tage wegen ärztlicher Hilfe zu benachrichtigen. Die Wiederbelebungsversuche dürfen aber nicht unterbrochen werden und müssen bis zu mehreren Stunden so lange fortgesetzt werden, bis der Bewußtlose von selbst wieder regelmäßig ein- und ausatmet oder bis ein Arzt den Tod festgestellt hat.

Der Steiger, Förderaufseher oder die Hilfeleistenden sind verantwortlich für die richtige Durchführung der Wiederbelebung.

 

VI. Schlußbestimmungen

§ 34

(1) Die im § 3 dieser Dienstanweisung aufgeführten Personen sind verpflichtet, diese Dienstanweisung zu befolgen.

(2) Zuwiderhandlungen gegen diese Dienstanweisung werden nach der Betriebsordnung sowie nach den allgemeinen bergpolizeilichen und gesetzlichen Bestimmungen bestraft.

 

Bad Grund, den 12.7.1960

 

Die Werksleitung

Salau

Der Grubenbetriebsführer

Fleisch

Der Maschinenbetriebsführer

Ahrens

_______________

Genehmigt !

Goslar, den 18. Juli 1960

Bergamt Goslar

I.V.: Dreyer

 


Quellen:

Allgemeine Bergbaukunde, Leipzig 1961

Mai, Neumann, Dominik: Die elektrische Grubenbahn in Freital-Zauckerode, Dresden 1996

Roschlau / Heintze: Wissensspeicher Bergbau, Leipzig 1980


© Joachim Fricke 2008