Historische Gasometer


 

Der Ausschnitt aus einer historischen Fotografie zeigt eine Wandgaslaterne mit zwei Anlehnbolzen für die Leiter der Laternenanzünder.

Foto: Sammlung J. Fricke

Die Entdeckung brennbarer Gase, die aus erhitzter Kohle entweichen gelang unabhängig voneinander verschiedenen Wissenschaftlern im 17. Jahrhundert. Erste Versuche diese Gase für Beleuchtungszwecke einzusetzen gehen auf den englischen Ingenieur William Murdoch (1754-1839) zurück. Murdoch konstruierte die erste Gasbeleuchtung für sein heimisches Esszimmer um 1792, wofür er eine Retorte im Hof seines Anwesens aufstellte. Um die Jahrhundertwende brannten dann die ersten Gaslichter in Murdochs Gießerei in Smethwick sowie einer Baumwollmühle in Manchester.

Unabhängig von Murdoch unternahmen auch andere Ingenieure zur gleichen Zeit in Europa Versuche mit der Gasbeleuchtung. So beleuchteten 1807 die ersten Gaslaternen zur Straßenbeleuchtung die Pall Mall in London. Das erste kommerzielle Gaswerk nahm 1812 in London den Betrieb auf. Nachdem von diesem Werk Holzrohre bis zur Westminster Bridge verlegt waren, erstrahlte sie ab dem Neujahrstag 1813 im Licht der Gaslaternen.

In Deutschland wurden die ersten Gaswerke in Hannover (1825) und Berlin (1826) errichtet. Nachdem anfangs das Gas nur für die Straßenbeleuchtung genutzt wurde, kamen bald auch viele private Abnehmer dazu. In den Wohnungen lösten die Gaslampen die bisher verwendeten Kerzen und Petroleumlampen ab, die jedoch auf dem Land noch lange ihre Daseinsberechtigung hatten. Die Zeit der Gasbeleuchtung in Wohnungen endete aber schon nach dem 1. Weltkrieg, da sich die elektrische Beleuchtung zunehmend mehr durchsetzte. Im Gegensatz dazu behauptete sich die Gasbeleuchtung der Straßen fast bis heute, wo mittlerweile um den Erhalt der letzten Gaslaternen (heute mit Erdgas betrieben) gekämpft wird.

Die ersten Gasherde wurden ab ca. 1854 zuerst in der Gastronomie eingeführt. Erst zwischen 1880 und 1930 eroberten sie dann aber auch die privaten Haushalte. Heute stehen Gas- und Elektroherde gleichberechtigt nebeneinander.

Die Stadtgasproduktion in Deutschland endete spätestens mit der Wiedervereinigung 1990. Die Verwendung von Erdgas erwies sich aus mehreren Gründen vorteilhafter. So ist ja die hohe Giftigkeit des Stadtgases (Anteil an Kohlenmonoxid) bekannt, es kam zu vielen Unfällen und Suiziden. Ebenso problematisch sind heute die Hinterlassenschaften an umweltschädlichen Rückständen auf den Arealen der vormaligen Gaswerke.


Nachfolgend ist die Beschreibung der Stadtgasherstellung aus dem Buch "Die Kohle und ihre Wandlungen" von Dr. Max Naphtali aus dem Jahr 1928 wiedergegeben.

       In der Gasanstalt (s. Abb. 3) werden die Kohlen in eine Reihe von "Retorten" gefüllt, Behälter von verschiedener Form aus feuerfestem Ton, die von außen durch Koks- oder Generatorgasfeuerungen geheizt werden. Zum Verständnis der Vorgänge bei der Destillation muß man sich an die Zusammensetzung der Kohle erinnern, die also qualitativ aus Kohlenstoff, Wasserstoff, Stickstoff, Schwefel und aus von den mineralischen Bestandteilen der Pflanzen, Tiere und zugetretener Gesteinsreste herrührender Asche besteht.

       Beim Erhitzen entwickelt sich von etwa 200° ab Wasser, dann treten ölige Destillate und von etwa 400° ab brennbare Gase auf. Die Temperatur wird allmählich bis auf 1200° gesteigert. Das aus den Öfen entweichende Rohgas enthält neben dem eigentlichen Gase die Dämpfe von Wasser, Ammoniak, Schwefelwasserstoff, Blausäure, Naphthalin und Teer. Es wird in weiten, auf- und absteigenden Rohren zunächst soweit gekühlt, daß sich der Teer größtenteils in den "Teervorlagen" zugleich mit Ammoniakwasser abscheidet. Der Teer wird später in Teerzisternen abgelassen und so von dem Ammoniakwasser getrennt. Die nicht verdichteten Gase und Dämpfe gelangen aus der Vorlage in einen Luftkühler, das sind weite Rohre, in denen sich nach und nach in schneeflockenartigen Kristallen das Naphthalin absetzt, das andernfalls leicht Verstopfungen der Gasrohre veranlassen kann. Nach dem Luftkühler durchströmt das Gas einen Wasserkühler, dessen Wände von kaltem Wasser bespült werden, wobei sich das Gas auf 12 - 15° abkühlt. Die letzten Teerreste, die im Gas noch als feiner Nebel enthalten sind, werden ihm durch einen besonders konstruierten Teerabscheider entzogen. Das Gas passiert dann, von unten nach oben streichend, die Skrubber oder Wäscher, hohe mit Koks oder anderem stückigen Material gefüllte Türme, in denen Wasser herabrieselt und das noch vorhandene Ammoniak absorbiert. Es folgt nun die trockene Reinigung des Gases von Schwefelwasserstoff (H2S), Blausäure (HCN), Schwefelkohlenstoff (CS2) und anderen Beimischungen. Zu diesem Zwecke läßt man das Gas durch besondere lockere Massen strömen, die diese Substanzen absorbieren. So besteht z.B. die Lamingsche Masse aus Eisenvitriol, Kalk und Sägemehl. Durch die chemische Reaktionen, die sich dabei abspielen, wird Schwefel als Schwefeleisen und die Blausäure als komplizierte Verbindung zurückgehalten. Das nach dieser oder anderen Methoden gereinigte Leuchtgas passiert noch eine Gasuhr und gelangt in den Gasbehälter zur weiteren Verteilung. Das so gewonnene gereinigte Gas enthält etwa:

49

Vol

%

 Wasserstoff H2

34

"

%

 Methan (Grubengas) CH4

8

"

%

 Kohlenoxid CO

1

"

%

 Kohlendioxid CO2

4

"

%

 sogenannte schwere Kohlenwasserstoffe

4

"

%

 Stickstoff N2

       Von diesen sechs Bestandteilen sind alle bis auf CO2 und N2 brennbar; leuchtend brennen aber nur die schweren Kohlenwasserstoffe, die sich aus C2H4 Äthylen, C2H2 Azetylen und C6H6 Benzol zusammensetzen. Nun ist der Name Leuchtgas, den man diesem Gemisch gibt, heute eigentlich nicht mehr gerechtfertigt. Früher wurde das Gas bekanntlich in "Schnitt- und Rundbrennern" als solches für Leuchtzwecke verwendet, und was in diesen Brennern leuchtete, war der glühende, fein verteilte Kohlenstoff. Daß solcher Kohlenstoff in der Flamme schwebte, konnte man sehen, wenn man einen kalten Porzellanscherben durch die Flamme zog; er beschlug sich dabei mit Ruß, also Kohlenstoff. Nach Auer v. Welsbachs* Erfindung läßt man einen mit mit Thoriumerde getränkten Strumpf an Stelle des Kohlenstoffs in einer nicht leuchtend gemachten Flamme erglühen. Der Glühstrumpf des Auerlichts sitzt auf einem Bunsenbrenner, d.h. einem Gasbrenner, dem durch seitliche Öffnungen so viel Luft zugeführt wird, daß der Kohlenstoff vollständig verbrennt und die entleuchtete Flamme - durch richtige Dosierung der Verbrennungsluft - sehr hohe Temperaturen (bis zu 1200°) liefert. Im heutigen Leuchtgas findet man darum auch keine Benzoldämpfe mehr, die früher zum "Karburieren" zwecks Anreicherung des Gases mit leuchtendem Kohlenstoff zugesetzt wurden. Im Gegenteil werden vielfach noch Apparate mit "aktiver Kohle" in den Weg des Gases eingeschaltet, die Spuren von Benzol zurückhalten. Das Benzol kann dann mit heißem Wasserdampf und durch Kühlung der Dämpfe wiedergewonnen werden.

       Welches sind nun die weiteren Produkte der Leuchtgasfabrikation? Außer dem Gase erhält man zunächst Ammoniakwasser, das den sogenannten Salmiakgeist liefert; mit Schwefelsäure neutralisiert, gibt er der Landwirtschaft das Ammoniumsulfat, einen wertvollen Stickstoffdünger. Sodann gewinnt man Steinkohlenteer, von dem noch zu sprechen sein wird, und in den Retorten als Rückstand den Gaskoks, der im Hausbrand besonders zur Warmwasserversorgung und Zentralheizung die Kohle ersetzt. Koks verbrennt ohne Rauchentwicklung. Er bildet den Hauptteil der Produkte aus der Leuchtgasfabrikation. Eine Übersicht über die Produkte der Leuchtgasfabrikation mag das zeigen. Aus einer Kohle mit 75% C erhält man:

Koks............................................

71,00

 %

Teer.............................................

3,40

 %

Ammoniak.................................

0,34

 %

= 1,37 % Ammoniumsulfat

Leuchtgas..................................

16,40

 %

Schwefelwasserstoff und andere Verbindungen.............

0,55

 %

Wasser und Verluste..............

8,31

 %

100,00

 %


Carl Auer von Welsbach (1858-1929)

Carl Auer von Welsbach wurde am 1. September 1858 in Wien geboren. In Wien und Heidelberg studierte er Chemie. Nach seiner Promotion kehrte er 1882 nach Wien zurück und forschte dort an den Seltenerdenmetallen. 1885 gelang es ihm, die Elemente Neodym und Praseodym daraus zu isolieren. Bei seinen Arbeiten entdeckte er, das starke Leuchten der Oxide der Seltenen Erden beim Erhitzen. Mit den Salzen getränkte Baumwollfäden führten schließlich zur Erfindung des Glühstrumpfs (Auerlicht), den er bis 1885 durch Verwendung von Thoriumoxid noch mal verbessert hatte. Die Verwendung von Osmiumfäden für elektrische Glühlampen (Gründung von Osram 1906), neuartige Zündsteine für Feuerzeuge auf Basis von Cer und Eisen sowie die Entdeckungen der Elemente Ytterbium und Lutetium folgten. 1929 verstarb von Welsbach in Mölbling (Kärnten). 

 

Gaslaternen mit Glühstrümpfen in der Torgauer Straße, Berlin

Foto: J. Fricke (2006)


Charakteristisch für alle Gaswerke waren die großen Gasbehälter, die im Volksmund als "Gasometer" bezeichnet wurden. Am häufigsten gebräuchlich waren die Glockengasbehälter. Hier stand eine wassergefüllte bewegliche eiserne Glocke in einem Wasserbassin. Von unten wurde sie mit Gas befüllt und hob sich dabei im Becken an. Bei Gasentnahme sank sie wieder ab. Zur Stabilisierung wurde die Glocke ummauert oder von einem Führungsgerüst umschlossen. Die Glocke selbst erhielt Kragarme mit Führungsrollen um sie zentriert in der Umhüllung zu bewegen.

Um die Kapazität der Gasbehälter zu erhöhen, entwickelte man den Glockengasbehälter zum Teleskopbehälter weiter. Die Glocke bestand nun aus mehreren teleskopartigen Segmenten, die sich je nach Füllungsgrad auszogen oder wieder ineinander schoben. Zur Abdichtung der einzelnen Segmente wurde eine wassergefüllte Rinne verwendet, deren hydrostatischer Druck ein Entweichen des Gases verhinderte.

Das Titelbild des Buches "Großstadtgeschichten" des Malers, Grafikers und Schriftstellers Hans Baluschek (1870-1935) aus dem Jahr 1924 zeigt die Gasometer des Gaswerks Schöneberg in Berlin. Davor die Ringbahnkehre zum Potsdamer Bahnhof an der Cherusker Straße.

Original: Sammlung J. Fricke


Im folgenden werden einige Beispiele noch heute erhaltener Gasometer und ihre Geschichte präsentiert. Diese Beschreibungen werden in Zukunft weiter ergänzt.


Städtisches Gaswerk Wien-Simmering

Blick aus der Döblerhofstraße auf den Gasbehälter 1, rechts der Behälter 4. Bemerkenswert die Einschusslöcher aus dem 2. Weltkrieg in der Begrenzungsmauer des Gaswerks.

Foto: J. Fricke (1987)

Nachdem Wien zuvor durch private Unternehmen mit Gas versorgt worden war, beschloss der Gemeinderat 1896 den Bau eines eigenen Großgaswerks im Stadtteil Simmering. Der Bau begann im Oktober 1896 unter der Leitung von Franz Kapaun (1851-1929). 

Zur Speicherung des erzeugten Gases entstanden vier ummauerte Gasbehälter von je 90.000 m3 Inhalt. Mit einer Höhe von 67,38 m und einem Durchmesser von 64,9 m stellen sie eine beeindruckende Landmarke dar. Alle vier Behälter waren baugleich erstellt wurden. Abgeschlossen wurden die Umfassungsmauern durch ein freitragendes kuppelförmiges Dach, konstruiert nach dem System des Berliner Ingenieurs Johann Wilhelm Schwedler (1823-1894), eine sogenannte "Schwedlerkuppel". Das Bassin am Boden fasste 30.000 m3 Wasser. Die Glocken im Inneren der Gasometergebäude bestanden aus drei zylindrischen Teilen von 58,20 m, 59,10 m und 60,00 m Durchmesser und griffen teleskopartig ineinander.

Am 25. Oktober 1899 konnte das Gaswerk Simmering in Betrieb genommen werden. Um 1910 wurde die Speicherkapazität durch einen fünften Gasbehälter erhöht, welcher mit 150.000 m3 das größte Fassungsvermögen besaß. Dieser Behälter erhielt jedoch ein stählernes Führungsgerüst.

Im Zuge der Umstellung der Wiener Gasversorgung auf Erdgas wurde der fünfte Behälter 1981 abgebrochen und die restlichen vier Gasbehälter 1984 stillgelegt. Zwischen 1999 und 2001 gestalteten vier namhafte Architekten den Innenraum der Gasbehälter um. Die Teleskopbehälter wurden dazu entfernt. Es entstanden Wohnungen, Büros, ein Einkaufszentrum, das Stadtarchiv und ein Kino.


Das Gaswerk Schöneberg in Berlin

Gasbehälter 4 des ehemaligen Gaswerks Schöneberg in Berlin.

Foto: J. Fricke (2006)

Die ersten Gaswerke in Berlin wurden ab 1826 von der, zwei Jahre zuvor in London gegründeten, Imperial Continental Gas Association (ICGA). Ab 1845 ließ auch die Stadt Berlin eigene Gaswerke bauen, da sich die ICGA weigerte, die Randbezirke der Stadt zu beliefern, da diese weniger Gewinne versprachen. Fortan versorgten die städtischen Gaswerke das Zentrum und die ICGA hatte die Außenbezirke zu übernehmen.

Das Gaswerk Schöneberg wurde 1871 unter der Leitung von Leonard George Drory (1823-1896) für die ICGA erbaut. Es war das dritte Werk dieses Unternehmens und versorgte die Städte und Gemeinden südlich Berlins.

Anfangs verfügte das Werk nur über einen Gasbehälter (Gasbehälter 1) mit 8320 m3 Inhalt zur Aufnahme des produzierten Gases. Dieser war nicht ummauert, wie zu der Zeit üblich, sondern verfügte über ein offenes Führungsgerüst.

Nachdem auch die Gemeinde Tempelhof mit Gas versorgt werden sollte, wurde das Gaswerk schon 1877 erweitert. Weitere Retorten sowie ein zusätzlicher Gasbehälter (Gasbehälter 2) mit einem Speichervolumen von 13080 m3 kamen hinzu.

Durch weitere zu versorgende Orte (1885 Steglitz, 1887 Wilmersdorf) erreichte das Werk bald wieder seine Kapazitätsgrenze. Die ICGA beschloss daher das Werk auf erweitertem Grundstück völlig neu zu bauen. Nur wenige Gebäude des bisherigen Werkes sowie die beiden Gasbehälter wurden übernommen. Die Produktionsmenge des neuen Werkes reichte nun auch zur Versorgung weiterer Gemeinden aus, die 1891-93 ebenfalls angeschlossen wurden. Zur Erweiterung der Speicherkapazität entstand jedoch 1893-1895 ein dritter Gasbehälter nach dem Entwurf von Richard Cramer (1847-1906) mit einem Fassungsvermögen von 72800 m3.

Ein Kuriosum des Gaswerks Schöneberg war ein 1892/93 errichtetes Treibhaus, in dem Ananaspflanzen gezüchtet wurden. Hierzu diente offensichtlich die Abwärme der Anlage.

Auch in den folgenden Jahren wurde das Gaswerk stetig erweitert und modernisiert. Besonderes Interesse galt nun der Gewinnung und Verwertung von Nebenprodukten wie Koks, Teer, Naphtalin, Benzol und Ammoniak. Allein der Verkauf dieser Nebenprodukte deckte ca. 75 % der Kosten für den Ankauf der benötigten Kohle.

Einem weiteren Ausbau des Werkes nach der Jahrhundertwende stand die Stadt Schöneberg (Stadtrechte seit 1898) dagegen nicht mehr so positiv gegenüber. Die Belastung der umliegenden Bewohner durch Abgase hatte stetig zugenommen. So musste sich die ICGA auf qualitative Verbesserungen ihres Werkes beschränken. 1909 entstand dabei der noch heute erhaltene Gasbehälter 4, der mit einer Höhe von 78 m und einem Fassungsvermögen von 160000 m3 einer der größten Gasbehälter seiner Zeit war. Erbaut wurde er von der Berlin-Anhaltischen Maschinenbau-Actien-Gesellschaft (BAMAG). Bei seinem Bau kam es am 19. August 1909 zu einem Unglück, als ein 85 m hohes Baugerüst auf die Gleise der Ringbahnkehre stürzte. Der 1910 fertiggestellte Behälter konnte dann jedoch erst 1913 in Betrieb genommen werden, da die umliegenden Bevölkerung erhebliche Einwände gegen den Behälter geltend machte (Verschattung der Wohnhäuser, Explosionsgefahr).

Während des 1. Weltkriegs erfolgte dann die Enteignung der englischen ICGA, da England ja nun zu den Kriegsgegnern des Deutschen Reiches zählte. Das Werk wurde fortan von der neu gegründeten Gasbetriebsgesellschaft AG betrieben. Diese ließ in den folgenden Jahren weitere Modernisierungen vornehmen und veraltete Anlagen abbrechen. Die 1937 Eigenbetrieb der Stadt Berlin gewordenen Berliner Städtischen Gaswerke AG (GASAG) übernahmen dann 1939 das Schöneberger Gaswerk in ihren Besitz.

Infolge von Kriegseinwirkungen wurden alle Gasbehälter 1943/44 stark beschädigt. Die alten Behälter 1 und 2 wurden daraufhin demontiert und die Behälter 3 und 4 notdürftig wiederhergestellt. Am Kriegsende war nicht einmal 1% der Gasleitungen im Versorgungsgebiet betriebsbereit, doch schon am 11. Mai 1945 nahm das Gaswerk Schöneberg den Betrieb wieder auf. Schon im Oktober 1945 war das Gasrohrnetz wieder zu 81% instandgesetzt. Aufgrund von Kohlemangel sollten  jedoch 1946 die uneffektivsten Werke in Berlin auf Anordnung der Alliierten Kommandantur stillgelegt werden. Dazu gehörte auch das Werk Schöneberg, welches am 1. Juli 1946 den Betrieb einstellte. Die folgenden Abbrucharbeiten betrafen aber nicht die beiden verbliebenen Gasbehälter. Weiter Gebäude dienten als Werkstätten und Lagerräume für die GASAG und der Bautenbestand wurde in den folgenden Jahren sogar weiter ergänzt und zum zentralen Standort der GASAG umgewandelt.

Die Behälter 3 und 4 wurden Anfang der 1950er Jahre mit Marshall-Plan Geldern instandgesetzt und dienten weiterhin als Behälterstation der Speicherung von Gas aus den weiterhin betriebenen Gaswerken im nun geteilten Berlin. Erst Mitte der 1970er Jahre wurde dann der Behälter 3 demontiert. Nachdem die Gasversorgung der Stadt 1995 auf Erdgas umgestellt wurde, ging der Behälter 4, der seit 1994 unter Denkmalschutz steht, endgültig außer Betrieb. Bis heute wurde kein Nachnutzungskonzept für den Behälter gefunden, der ortsbildbestimmend für den Stadtteil Schöneberg ist.


Die Gasanstalt Dresden-Reick

Wie in Berlin erhielt auch Dresden 1824 ein Angebot der Imperial Continental Gas Association (ICGA) zur Versorgung der Stadt mit Gas. Dieses Angebot lehnte die Stadt jedoch ab und beschloss ein Gemeindegaswerk zu errichten, welches 1828 in Betrieb genommen wurde. In der Folge wurde noch ein weiteres Gaswerke errichtet.

Der steigende Gasbedarf der Stadt und ihrer Industrie führte Anfang der 1870er Jahr zu Überlegungen, ein drittes deutlich größeres Gaswerk im Bereich der früher selbständigen Gemeinde Reick zu errichten. Dieses Werk sollte zukünftig allein den Bedarf der Stadt Dresden decken. Zwischen 1878 und 1881 wurde die Gasanstalt Reick nach den Plänen des Stadtbaurats Theodor Friedrich (1829-1891) erbaut. Zur Gasspeicherung waren zwei umhauste Teleskop-Gasbehälter mit jeweils 30000 m3 Inhalt vorgesehen. Die Grundsteinlegung vom Behälter 1 fand 1879 statt, die des Behälters 2 ein Jahr später.

Gasbehälter 2 des ehem. Gaswerks Dresden-Reick

Foto: J. Fricke (2013)

Um die Jahrhundertwende war der Gasbedarf der Stadt Dresden soweit angestiegen, dass die Kapazität der Anlage in Reick nicht mehr ausreichte. Als Alternative zum Bau eines vierten Gaswerks kam nur die deutliche Erweiterung des Werkes Reick in Frage. Der Architekt Hans Erlwein (1872-1914) - seit 1904 Stadtbaurat in Dresden - übernahm die Aufgabe einen dritten wesentlich größeren Gasbehälter zu entwerfen. Dieser entstand 1907/08 mit einem Volumen von 110000 m3. Mit einem Durchmesser von 64,50 m und einer Gesamthöhe von 68 m (bis zur heute nicht mehr vorhandenen Laterne) entstand ein monumentaler Bau mit einer Hülle aus Stahlbeton, der von fünf Treppentürme akzentuiert wird. Die durch Fenster angedeuteten Etagen dienen jedoch nur der optischen Gestaltung des Gebäudes. Der Gasbehälter, welcher als erste selbsttragende Stahlbetonkonstruktion Europas gilt, wurde 1909 in Betrieb genommen.

Gasbehälter 3 

Blick in die Umhüllung des Gasbehälters 3

Fotos: J. Fricke (2013)

Im Jahr 1913 wurde Reick dann nach Dresden eingemeindet. In den Jahren ab 1916 entstanden weitere Ergänzungsbauten auf dem Gelände des Werkes durch den neuen Stadtbaurat Hans Poelzig (1869-1936).

Bei den Bombenangriffen auf Dresden am Ende des 2. Weltkrieg wurde das Werk stark beschädigt, jedoch schon im März 1945 konnte die Gasproduktion wieder aufgenommen werden. 1957 erhielt das Werk den Ehrennamen "Joliot Curie" und im folgenden Jahr kam es zum Anschluss an das DDR-Ferngasnetz des Kraftwerks Schwarze Pumpe bei Hoyerswerder, von wo zusätzliches Gas bezogen werden konnte. Dafür entstand 1959 dann noch ein weiterer Gasbehälter (Scheibengasbehälter 4) auf dem Gelände. Mit der Umstellung auf Erdgas erfolgte 1973 die Einstellung der Stadtgasproduktion. Ein Jahr später wurde der Gasbehälter 1 abgetragen.

Weitere Abbrucharbeiten erfolgten 1987 mit der Demontage der stählernen Einbauten in den Gasbehälter 3. 1998 wurde dann auch noch die Dachkonstruktion dieses Behälters gesprengt. Pläne, im Inneren der Umhüllung eine Musicaltheater einzurichten, wurden jedoch bisher nicht verwirklicht. Durch die fehlende Dachkonstruktion hat der Behälter optisch erhebliche Einbußen hingenommen.

In den folgenden Jahren wurde der Gasbehälter 2 restauriert und ab 2006 in seinem Inneren gewaltige Rundbilder des Künstlers Yadegar Asisi gezeigt. Asisi bezeichnet sein Werk als Panometer.

Die Uhr am Eingang zum Gasbehälter 3 zeigte einst den Füllungsgrad an.

Foto: J. Fricke (2013)


Quellen:

Feuer und Flamme für Berlin - 170 Jahre Gas in Berlin, Berlin 1997

Kretschmer: Gasometer in Wien - Industrie und Technikdenkmale im Wandel der Zeit, Wien 2001

Lepiorz: Das Gaswerk Schöneberg, Berlin 2005

Naphtali: Die Kohle und ihre Wandlungen, Berlin 1928

Richter / Schink: Industriearchitektur in Dresden, Leipzig 1997

Rödel: Reclams Führer zu den Denkmalen der Industrie und Technik in Deutschland Band 2, Stuttgart 1998

Schieferdecker: Dresden - Er gab dem Stadtbild ein Gesicht - Hans Erlwein, Kassel 2011

Schmidt / Theile: Denkmale der Produktions- und Verkehrsgeschichte Teil 1, Berlin (Ost) 1989

Sladek / Guss: 100 Jahre Wiengas 1899-1999, Wien 1999

Wirth: Technik - Zeugnisse der Produktions- und Verkehrsgeschichte, Berlin / Leipzig 1990


© Joachim Fricke 2015