Die Berliner Kongresshalle

 

Die Berliner Kongresshalle

Foto: J. Fricke (2012)

Schon 1954 entbrannten im Senat die ersten Diskussionen um den Bau einer Veranstaltungshalle. Seinerzeit war an eine neue Philharmonie gedacht worden, die auch die Möglichkeit zur Veranstaltung von Kongressen bieten sollte. Vorschläge für den Ort,  an dem das Gebäude errichtet werden sollte, gab es viele.

Eine entscheidende Wendung nahm das Projekt mit der Einladung an das American Institute of Architects (AIA) zur Teilnahme an der für 1957 geplanten Bauausstellung INTERBAU in Berlin. Das Institut beauftragte im März 1955 den Architekten Hugh Stubbins mit dem Entwurf eines amerikanischen Beitrags zur Ausstellung. Im April 1955 besuchte Stubbins mit einer Abordnung des AIA in Begleitung von Eleanor Dulles (1895-1996), als Vertreterin des amerikanischen Außenministeriums, Bonn und Berlin. Der Wunsch Berlins nach einer Veranstaltungshalle an einem gut einsehbaren Platz nahe der Sektorengrenze führten zur Entscheidung für den heutigen Standort. Noch in Berlin fertigte Stubbins erste Skizzen für das neue Bauwerk an, getragen von der Idee, dem Gebäude gleichsam Flügel zu geben als Symbol der Freiheit West-Berlins.

Schon im Juli 1955 hatte Stubbins dann den endgültigen Entwurf für die Kongresshalle fertiggestellt. Am 3. November 1955 gab das Abgeordnetenhaus des Berliner Senats dann seine Zustimmung zum Bau der Halle. Bauträger wird die im Mai 1955 eigens gegründete Benjamin-Franklin-Stiftung unter ihrer Vorsitzenden Eleanor Dulles. Die Baukosten teilen sich die amerikanische Regierung und der Berliner Senat.

Modell der Kongresshalle von Norden

Ansichtskarte: Sammlung J. Fricke

Seinerzeit kritisierten eine Reihe von Architekten die Konstruktion: 

"Ein Dach, was auf zwei Punkten aufliegt, ist eine statische Absurdität, die bauliche Kunstgriffe notwendig macht. Diese Kunstgriffe dürfen nicht sichtbar sein, auf dass die Wirkung nicht verloren gehe, die man durch die Absurdität selbst zu erreichen versuchte"

 Pier Luigi Nervi (1891-1979)

Das ursprünglich von Stubbins geplante freischwebende Dach über der Halle wurde von der Berliner Baubehörden nicht genehmigt. Der dann genehmigte "Kunstgriff", bei dem die Außenbögen mittels später einbetonierter Spannglieder an einem Ringbalken befestigt wurden, der auf der eigentlichen Halle auflag, war der  Konstruktionsfehler, der 20 Jahre nach dem Bau zur teilweisen Zerstörung der Halle führen sollte.

 

Die Zeichnung zeigt die Konstruktion mit innerem Ringbalken 

und der Befestigung der Außenbögen mittels Spanngliedern.

Nach einem Jahr Bauzeit die Halle dann am 19. September 1957 feierlich im Beisein berühmter Künstler und Politiker eröffnet. Am 15. Oktober 1957 fand zum ersten Mal eine Sitzung des Deutsche Bundestag in der Kongresshalle statt. Am 26. April 1958 erfolgt die offizielle Übergabe durch die Benjamin-Franklin-Stiftung an die Stadt Berlin. Sehr schnell fand die "Berliner Schnauze" einen Kosenamen für das Gebäude: Schwangere Auster

Ansichtskarte mit Innenaufnahmen

Sammlung: J. Fricke

Ansichtskarte der Kongresshalle mit der Ruine des Reichstagsgebäudes im Hintergrund.

Sammlung: J. Fricke


 

Im Mittelpunkt der deutschen Hauptstadt liegt die KONGRESSHALLE BERLIN. Als verpflichtendes Symbol der Freiheit, als Forum des freien Gedankenaustausches dient sie den Menschen aus allen Teilen Deutschlands und der internationalen Welt als Stätte der Begegnung. Dieses kühne Bauwerk wurde zur INTERBAU BERLIN 1957 als Beitrag der Vereinigten Staaten nach Plänen des Architekten H. A. Stubbins von den Berliner Architekten W. Düttmann und F. Mocken zum Gedenken an den Staatsmann und Freiheitskämpfer BENJAMIN FRANKLIN errichtet. Die Halle verfügt über ein Auditorium und einen Vortragssaal, beide mit hervorragender Akustik, 7 kleiner Säle, Aufenthaltsräume, Ausstellungshalle, Kongreßbüro, Postamt, Bank, Bar, Restaurant. Modernste technische Einrichtungen, wie Simultan-Dolmetscher-Anlagen, Theater- und Filmvorführungseinrichtungen, gehören zu den vielbenutzten Selbstverständlichkeiten.

Die KONGRESSHALLE liegt an der John-Foster-Dulles-Allee am Rande des Tiergarten unweit des Brandenburger Tores zwischen Siegessäule und Reichstagsgebäude, zwischen Spree und Straße des 17. Juni. Als zentrale Tagungsstätte Berlins ist sie über das öffentliche Verkehrsnetz, mit Kraftwagen oder auf Gehwegen leicht zu erreichen. Der Parkplatz mit Rufanlage faßt über 400 Wagen. Ausgedehnte Gartenanlagen mit dem 600 qm großen Wasserbecken der beiden Spiegelseen, ein Dachgartencafé und ein Terrassenrestaurant am grünen Spree-Ufer dienen der Entspannung in den Kongreßpausen.

(undatierter Flyer)


Kongresshalle (Benjamin-Franklin-Hall)

Foto: Landesbildstelle Berlin / Sammlung: J. Fricke

Der einschneidenste Tag in der Geschichte des Bauwerks war der 21. Mai 1980. Während einer Sitzung des Rings deutscher Makler riss der südliche Außenbogen vom Ringbalken ab und stürzte ein. Bei diesem Unglück war ein Toter zu beklagen. Mehrere Personen wurden verletzt. Ursache waren die Spannglieder, deren Hülle durch ständige Temperaturwechsel und Schneelast Risse bekommen hatte. In diese Risse drang Regenwasser ein, was zur Korrosion der Spannglieder und letztendlich zum Versagen der Konstruktion führte.

Nach dem Einsturz wurde der südliche Außenbogen provisorisch abgestützt.

Foto: THW

Spätere Untersuchungen zeigten, dass auch die Spannglieder, die den nördlichen Außenbogen hielten, stark korrodiert waren. Auch hier wäre ein späterer Einsturz nicht zu vermeiden gewesen.

"Der Einsturz des südlichen Außendaches und Randbogens der Kongresshalle in Berlin wurde durch konstruktive Mängel bei der Planung und Bauausführung der Außendächer und als Folge davon durch korrosionsbedingte Brüche ihrer den Randbogen tragenden Spannglieder verursacht."

Prof. Dr.-Ing. Schlaich

In den folgenden Jahren gab es viele Überlegungen und Diskussionen um die Zukunft der Kongresshalle. Verfechter eines endgültigen Abrisses argumentierten mit einer scheinbaren Bedeutungslosigkeit der Halle für die Stadt Berlin. 1984 beginnt dann aber doch der Wiederaufbau der Dachkonstruktion. Das vollständig neu erbaute, sogenannte große Dach entspricht weitgehend den ursprünglichen Überlegungen Stubbins, ist also quasi freischwebend über der eigentlichen Halle. Abweichende Maße fallen dem Betrachter dabei kaum auf. Am 9. Mai 1987 wurde die fertiggestellte Halle in Anwesenheit von Eleanor Dulles und dem Architekten Hugh W. Stubbins erneut eröffnet. Zwei Jahre später übernimmt "Das Haus der Kulturen der Welt" die Kongresshalle. Als internationale Begegnungsstätte veranstaltet es Ausstellungen, Lesungen, Symposien, Workshops, Tanzperformances, Theateraufführungen, Konzerte, Festivals und Filmreihen. 2006 - 2007 erfolgt nochmals eine gründliche Teilinstandsetzung und im August 2007 erfolgt die nunmehr dritte Eröffnung des Gebäudes. 

Hugh Stubbins (1912 - 2006)

Stubbins graduierte in Architektur 1934 am Georgia Institute of Technology in Atlanta und 1935 an der Harvard University Graduate School of Design in Cambridge. 1940 wurde er Mitarbeiter bei Walter Gropius. Mit dem Entwurf der Kongresshalle in Berlin 1957 erlangte er internationale Anerkennung. Außergewöhnliche Formen prägten auch seine weiteren Bauten in den USA. 1974 wurde er zum Mitglied der National Academy of Design gewählt. Sein Werk umfasst über 800 Bauten. 1992 zog er sich aus dem Berufsleben zurück. Sein Architekturbüro beschäftigt heute 500 Mitarbeiter und ist weltweit tätig. 


Quellen:

Architektur in Berlin - Das XX. Jahrhundert, Köln 2005

Berlin Baut 2: Die Kongreßhalle, Berlin 1987

http://www.hkw.de


© Joachim Fricke 2016