Die Hanomag-Radschlepper der 1950er Jahre

 

Im Jahre 1835 gründete der Unternehmer Georg Egestorff (1802-1868)  eine Maschinenfabrik und Eisengießerei in Hannover, die im folgenden Jahr die Herstellung von Dampf- und Werkzeugmaschinen aufnahm. Ab dem Jahr 1846 produzierte die Fabrik dann auch Dampflokomotiven für die Staatseisenbahnen in Baden, Hannover und Braunschweig. 

Nach dem Tod Egestorffs im Jahr 1868 übernahm der Eisenbahnunternehmer Dr. Bethel Henry Strousberg (1823-1884) die Fabrik von den Erben, die er jedoch schon 1871 nach seinem Konkurs wieder abgeben mußte. Seit diesem Zeitpunkt firmierte das Unternehmen unter dem Namen "Hannoversche Maschinenbau-Actien-Gesellschaft vormals Georg Egestorff in Linden vor Hannover".

Erst kurz vor Beginn des 1. Weltkriegs widmete sich die Hanomag der Produktion von Maschinen für die Landwirtschaft. Die bis dahin verwendeten dampfbetriebenen Lokomobile waren aufgrund ihres hohen Gewichtes für das Befahren der weichen Äcker nicht geeignet. Dies wurde erst durch die Erfindung der wesentlich leichteren Verbrennungsmotoren möglich. Die ersten eingesetzten Fahrzeuge waren die sogenannten Tragpflüge, deren Produktion in Hannover 1912 begann. Diese Konstruktionen bestanden aus einem Pflug, der durch einen Verbrennungsmotor bewegt wurde.

Abgeleitet aus der Konstruktion der Panzer im 1. Weltkrieg konstruierte die Hanomag ab 1919 Kettenschlepper zum Einsatz in der Landwirtschaft und im Bauwesen.

Erst 1924 wurde der Bau von Radschleppern bei der Hanomag aufgenommen. Angetrieben wurden diese in rahmenloser Blockbauweise konstruierten Fahrzeuge durch Vergasermotoren. Erst 1931 fanden auch Dieselmotoren in den Schleppern (Typ RD 36) der Hanomag Verwendung.

Bis zum Beginn des 2. Weltkriegs entstanden noch eine Reihe verschiedener Schleppertypen in unterschiedlichen Leistungsklassen. Ab 1940 kam es dann zu starken Einschränkungen bei der Schlepperproduktion. Die erforderlichen Rohstoffe wurden rationiert um kriegswichtigen Produktionen zur Verfügung zu stehen.

Seit 1942 baute die Hanomag dann nur noch einen Radschleppertyp, den R 40, der im Jahr 1940 Serienreife erlangt hatte. Im gleichen Jahr erfolgte die versuchsweise Umrüstung von Radschleppern R 40 auf den Betrieb mit Holzgas. Dieses wurde in einem angebauten Imbert-Holzgasgenerator erzeugt. Durch den Gasbetrieb sollten die flüssigen Kraftstoffe eingespart werden.

Georges Imbert (1884 - 1950)

Georges Christian Peter Imbert wurde am 25. März 1884 in Niederstinzel (Lothringen) geboren. Nach seiner Schulzeit studierte er Chemie in Mülhausen und bereits im Alter von 20 Jahren erhielt er die ersten Patente auf chemische Verfahren. Im ersten Weltkrieg arbeitet er als Chemiker in Linden und Berlin, kehrte aber nach dem Krieg nach Frankreich zurück. Hier entwickelte er Anfang der 1920er Jahre den ersten Holzgasgenerator, der auch in einem Kraftfahrzeug zum Einsatz kam. Nach Meinungsverschiedenheiten mit seinem Teilhaber verließ Imbert 1930 Frankreich und gründete ein eigenes Unternehmen im Saarland. Kurze Zeit später verkaufte Imbert die Lizenz für seinen Holzgasgenerator an den deutschen Unternehmer Johannes Linneborn in Köln. Erst der Kraftstoffmangel im zweiten Weltkrieg führte zu einer weiten Verbreitung der Imbert-Generatoren, die in alle Arten von Kraftfahrzeugen und sogar in Schienenfahrzeuge eingebaut wurden. Aufgrund der geringeren Leistung der Motoren beim Betrieb mit dem Holzgas fand das Verfahren nach dem zweiten Weltkrieg keine nennenswerte Anwendung mehr. Georges Imbert, der nach Kriegsende nach Frankreich zurückgesiedelt war, starb am 6. Februar 1950 in  Sarre-Union (Elsaß).

 

Schwere Bombenangriffe auf das Hanomag-Werk im Herbst 1944 und im Frühjahr 1945 brachten die Produktion vollständig zum Erliegen, aber schon im Juli verließen die ersten neugebauten Schlepper die notdürftig entstandgesetzten Werkshallen in Hannover-Linden. Bis 1948 wurde der Bau des Radschleppers R 40 aus der Kriegszeit fortgesetzt. Erst dann wurden auch wieder andere Typen in das Programm aufgenommen, deren Bau bei Kriegsbeginn gestoppt worden war. 

Im Jahr 1950 stellte die Hanomag dann mit den Typen R 16, R 22 und R 28 eine völlig neukonstruierte Schleppertypenreihe vor.

Hanomag Radschlepper Typ R 22 (Foto: J. Fricke)

Ihren ersten großen Auftritt hatte diese Radschleppertypenreihe 1951 auf der großen DLG-Ausstellung (Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft e.V.) in Hamburg. Mittlerweile hatte sich noch der 45 PS starke Radschlepper R 45 dazugesellt, der den bewährten R 40 ablöste.

Typ R 16 R 22 R 28 R 45
Motortyp D 14 S D 21 S D 28 S D 57
Zylinderzahl 2 3 4 4
Leistung (PS) 16 22 28 45
Hubraum (cm3) 1390 2099 2798 5702
Bauweise Block Halbrahmen Halbrahmen Block

 

Hanomag Radschlepper Typ R 45 (Foto: J. Fricke)

Im folgenden Jahr erhielt die neue Schleppertypenreihe nochmals Zuwachs in Form des R 55, der mit 55 PS Leistung den stärksten Typ dieser Reihe darstellte. Als Sonderbauform dieses Typs gab es den R 55 ATK, der über eine hydraulische Kupplung verfügte. Diese ermöglichte ein ruckfreies Anfahren auch mit hohen Anhängelasten. So bestellte die Niederländische Luftfahrtgesellschaft KLM 5 Exemplare des R 55 ATK mit denen sie ihre schweren Flugzeuge bewegte. Selbst beim Rangieren von Eisenbahnfahrzeugen auf im Pflaster eingelassenen Gleisen bewährte sich die Kraftübertragung des R 55 ATK.

Eine weitere Ergänzung erhielt die Schleppertypenreihe im Herbst 1952.  Durch Veränderungen an den bewährten Motoren konnte die Leistung der einzelnen Schlepper weiter gesteigert werden. So entstand aus dem R 16 der R 19, aus dem R 22 der R 27 und aus dem R 28 der R 35. 

Typ R 19 R 27 R 35
Motortyp D 14 D 21 D 28
Zylinderzahl 2 3 4
Leistung (PS) 19 27 35
Hubraum (cm3) 1400 2099 2799
Bauweise Block Halbrahmen Halbrahmen

 

Hanomag Radschlepper Typ R 19 (Foto: J. Fricke)

Erstmals bei den Typenreihen ab 1950 verfügten die Hanomag-Radschlepper über das sogenannte Hanoma-Combitrac-System, das es ermöglichte Anbaugeräte anderer Hersteller zu verwenden. Zum Antrieb dieser Geräte erhielten alle Schlepper dieser Reihe ein Zapfwelle zur mechanischen Energieübertragung.

Hanomag Radschlepper Typ R 27 (Foto: J. Fricke)

Auf der DLG-Ausstellung in Köln 1953 stellte die Hanomag dann ihren neuen Radschlepper R 12 vor. Dieser wurde erstmalig durch einen 12 PS starken Zweitaktdieselmotor angetrieben und verfügt über einen Tragrahmen, so daß im Gegensatz zur Blockbauweise Motor und Getriebe keine tragenden Teile darstellten. Auf der Basis des R 12 entstand dann ab Mitte der 1950er Jahre eine neue Schleppertypenreihe. 

Leider bewährte sich der Antrieb durch den Zweitakt-Dieselmotor nicht, so daß dies schwere Folgen für den Absatz der neuen Typen hatte. Auch andere Entwicklungen in der Landwirtschaft Westdeutschlands ließen die Verkaufszahlen der Hanomag Schleppertypen Anfang der 1960er Jahre deutlich sinken. Durch die Abwanderung vieler Bauern und Landarbeiter in die aufstrebende Industrie verkauften viele landwirtschaftliche Kleinbetriebe in diesen Jahren ihr Land an größere Betriebe. In Folge dessen sank der Bedarf an Schleppertypen mit kleiner Leistung deutlich. Aus diesem Grunde und den technischen Unzulänglichkeiten endete der Bau von Radschleppern mit Zweitakt-Dieselmotoren in den Jahren 1961/62.

Ab Beginn der 1960er Jahre änderte die Hanomag die Typenbezeichnungen ihrer bewährten Schlepperreihen. Neben den nun dreistelligen Typenbezeichnungen erhielten die Schlepper auch eine dem Zeitgeist entsprechende modernere Verkleidung mit abgerundeten Kühlerhauben. Ergänzung fanden die bewährten Schlepper aus den 1950er Jahren dann durch die neuentwickelten Typen Brilliant, Robust und Granit. Erstmals verwendete dabei die Hanomag Namen für ihre Schlepper. Während die Schlepper Brilliant und Robust eine Weiterentwicklung des Typs R 35 (jetzt R 435) darstellten, entstand der Granit durch Verbesserung des Typs R 22 (jetzt R 324).

Eine weitere Verbesserung der Motoren bei den Typen ergab eine höhere Leistung, Senkung des Kraftstoffverbrauchs und einen ruhigeren Motorlauf. Mit diesen nochmals verbesserten Motoren rüstete die Hanomag ab 1962 die Typen Robust und Granit aus. Neu hinzu kam der Typ Perfekt 300, der eine Leistung von 25 PS aufwies.

Hanomag Radschlepper Typ Perfekt 300 (Foto: J. Fricke)

Ende der 1960er Jahre entstand bei der Hanomag letztmalig eine neue Schlepperserie. Typisch für diese Fahrzeuge war der kantige Aufbau. 

Hanomag Radschlepper Typ Brillant 700 (Foto: J. Fricke)

In dieser Zeit sanken die Absatzzahlen der Radschlepperproduktion dramatisch, so daß die Hanomag beschloß 1970 die Schlepperproduktion ganz einzustellen. Die letzten Bestellungen wurden dann im Jahr 1971 ausgeliefert.


Quellen:

Bauer: Hanomag Schlepper - von 1912 bis 1971, Stuttgart 1989

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© Joachim Fricke 2005