Triebwagen 1122 der Rhein-Haardtbahn


 

Bad Dürkheim, gegebener Ausgangspunkt für Hardtwanderungen und alljährlicher Schauplatz des weltberühmten Wurstmarktes, des größten deutschen Weinfestes – gebietet uns das erste unüberhörbare Halt. Seine Bewohner dürfen sich verschiedener Superlativen bedienen, denn Dürkheim ist das stärkste Arsen-Solbad der Welt und der beliebteste Ort für Traubenkuren, es hat die größte Weinbaugemarkung in ganz Deutschland und es besitzt außerdem das größte Weinfaß der Welt, allerdings enthält es keinen Wein, sondern ein Weinlokal, das in drei Etagen etwa 500 Personen aufnehmen kann.

Aus: Müller-Alfeld, Das Deutsche Reisebuch (1958)


Triebwagen 1122 der Rhein-Haardtbahn in der Werkstatt des Brücke e.V. in Blankenburg (Harz)

Foto: J. Fricke (2005)

Ende des 19. Jahrhunderts konkretisierten sich die Überlegungen den aufstrebenden Kur- und Weinort Dürkheim (Seit 1904: Bad Dürkheim) und das Zentrum der chemischen Industrie um Ludwigshafen und Mannheim mit einer Eisenbahnstrecke zu verbinden. Sowohl der Berufs- als auch der Ausflugsverkehr versprachen gute Einnahmen.

Die Mannheimer Straßenbahn hatte ihr Netz bereits 1900 elektrifiziert und 1902 legte auch Ludwigshafen eine elektrische Straßenbahn an. Beide meterspurigen Netze wurden miteinander verbunden, wobei Mannheim die Fahrzeuge stellte, während Ludwigshafen auf seinem Stadtgebiet die Strecken anlegte. Die gegenseitige Benutzung der Strecken durch die städtischen Straßenbahnen und die geplante Rhein-Haardtbahn boten sich an.

So schlossen die Städte Bad Dürkheim, Ludwigshafen und Mannheim 1911 einen Vertrag und gründeten die Rhein-Haardtbahn GmbH. Im folgenden Jahr begann der Bau der neuen Strecke von Bad Dürkheim nach Oggersheim (seit 1938 Stadtteil von Ludwigshafen). In Oggersheim erfolgte dann der Anschluss an die bestehenden Strecken der Straßenbahn Mannheim-Ludwigshafen.

Am 30. August 1913 konnte die Rhein-Haardtbahn in voller Streckenlänge in Betrieb genommen werden. Einige Dörfer zwischen Bad Dürkheim und Oggersheim hatten somit auch einen Bahnanschluss erhalten, was sich positiv auf die wirtschaflichen Verhältnisse auswirkte.

Für den Betrieb auf der neuen Verbindung lieferte die Waggonfabrik Fuchs in Heidelberg 8 Motorwagen (TW 401-408 ab 1934 TW 1101-1108) an die Rhein-Haardtbahn und weitere 10 baugleiche Wagen (TW 301-310 ab 1934 TW 1001-1010) an die Mannheimer Straßenbahn. Es handelte sich um vierachsige Motorwagen mit Maximum-Drehgestellen. Ergänzt wurde die Bestellung mit 16 Beiwagen (BW 701-716 ab 1934 BW 1201-1216) in zweiachsiger Ausführung. Diese Wagen wurden von der RHB beschafft. Die Mannheimer Straßenbahn adaptierte Beiwagen aus ihrem Park für den Einsatz auf der Rhein-Haardtbahn.

Schon im Jahr der Betriebsaufnahme zeigte sich, dass eigentlich zwei weitere Triebwagen benötigt wurden. Eine Bestellung unterblieb jedoch aufgrund des 1. Weltkriegs und der folgenden Inflation und Wirtschaftskrise.

Der schlechte Zustand des Fahrzeugparks führte dann 1937 zur Bestellung von zwei neuen Triebwagen. Wieder wurde der Auftrag an die Firma Fuchs in Heidelberg vergeben. Diese musste das Ansinnen der Rhein-Haardtbahn, die Wagenkästen vollständig aus Stahl anzufertigen, jedoch ablehnen. Die Kriegsvorbereitungen der faschistischen Staatsführung führten zur Kontingentierung von Stahl. So erhielten auch die neuen Wagen wieder einen blechverkleideten Holzaufbau.

Im Mai 1939 wurden die beiden neuen Triebwagen mit den Betriebsnummern 1121 und 1122 abgeliefert und erprobt. Konstrukteur bei Fuchs war Georg Mechtersheimer (1880-1972), der auch die "Gläsernen Züge" (ET 91) für die Reichsbahn entworfen hatte. Nach einigen Anpassungsarbeiten konnten beide Triebwagen im August/September des gleichen Jahres in Betrieb genommen werden. Nach dem Vorbild dieser Fahrzeuge wurden einige der alten Wagen später umgebaut bzw. kriegszerstörte Fahrzeuge neu aufgebaut.

Am 24. September 1943 wurde der TW 1121 bei einem Bombenangriff auf Mannheim im Betriebshof Collinistraße zerstört. Da die Firma Fuchs sich im Krieg nicht in der Lage sah, den Wagen wieder aufzubauen, unterblieb dieses Vorhaben. Die Drehgestelle des TW 1121 blieben erhalten und wurden 1951 aufgearbeitet. Sie befinden sich heute unter dem Wagen 1122.

Mit der Beschaffung moderner DüWAG-Gelenkwagen ab 1965 wurde der TW 1122 nur noch sporadisch eingesetzt. Seinen letzten Einsatz soll er 1968 gehabt haben. Auch die älteren Wagen wurden in dieser Zeit endgültig abgestellt. Bis 1977 diente er dann als Salzlager und war neben der Fahrzeughalle in Bad Dürkheim abgestellt.

Im gleichen Jahr übernahm die Deutsche Gesellschaft für Eisenbahngeschichte (DGEG) das Fahrzeug für ihr Schmalspurmuseum in Viernheim. Für eine Ausstellung im folgenden Jahr erhielt der Wagen eine optische Aufarbeitung. 1988 musste dieses Museum leider aufgelöst werden, da die Oberrheinische Eisenbahngesellschaft Eigenbedarf für die frühere Fahrzeughalle anmeldete. Der Wagen wurde mit den restlichen Fahrzeugen des Museums nach Bruchhausen-Vilsen überführt, wo ein gemeinsames Museum mit dem Deutschen Eisenbahn-Verein angedacht war. Leider kam es nicht zur Schaffung dieses Museums und die Fahrzeuge wurden in der Folge an verschiedene Interessenten abgegeben. 1997 kehrte der TW 1122 nach Bad Dürkheim zurück.

Im Jahr 2001 erwarben die Bahnfreunde Rhein-Neckar-Pfalz e.V. den Triebwagen und brachten ihn in Bad Dürkheim unter. Einen Teil der Aufarbeitung übernahm der Brücke e.V. in Blankenburg, wo der Autor ihn 2005 fotografieren konnte. Nach Restarbeiten an den Fahrmotoren, die in Bad Dürkheim ausgeführt wurden, konnte der Triebwagen ab 2008 durch die Interessengemeinschaft Nahverkehr Rhein-Neckar e.V. als Museumswagen eingesetzt werden.


Quellen:

Auf Achse und Schiene - 100 Jahre Nahverkehr in Mannheim, Mannheim 1978

Blaul: Der stärkste der Flotte, Die Rhein-Haardtbahn und ihr Triebwagen 1122, Ludwigshafen 2002

Blaul, Kaiser: Die Rhein-Haardtbahn, Ludwigshafen 2000

Höltge: Rhein-Haardtbahn GmbH, Gifhorn o.J.

Müller-Alfeld: Das Deutsche Reisebuch, Darmstadt 1958

http://www.ign-ev.de/


 

© Joachim Fricke 2021