Die Zerbster Straßenbahn


 

Ansichtskarte aus dem Jahr 1916. Rechts am Rand zwei Wagen der Straßenbahn.

Original Sammlung: J. Fricke

Im Jahr 1863 erhielt die Kleinstadt Zerbst im Herzogtum Anhalt einen Bahnanschluss von Roßlau durch die Berlin-Anhaltische Eisenbahn-Gesellschaft (BAE). Diese verlängerte die Strecke 1874 nach Trebnitz, wo Anschluss nach Magdeburg bestand.

Der Bahnhof von Zerbst lag aber 2,3 km vom Stadtzentrum entfernt.

Dem Antrag des Dessauer Spediteurs Bier auf Baugenehmigung einer Pferdebahn vom Bahnhof zum Marktplatz im Jahr 1890 wurde seitens des Gemeinderates zugestimmt. 

Schon im November 1891 konnte die meterspurige Straßenbahn den Verkehr aufnehmen. Sie war eingleisig angelegt und erhielt drei Ausweichen. Ein Depot wurde nahe dem Bahnhof errichtet.

Zur Verfügung standen anfangs zwei Wagen und dazu zwei Pferde.

Nur 5 Jahre später hatte der Verkehr so zugenommen, dass der Wagenpark um 4 weitere Wagen vergrößert werden musste. Ebenso wurden 4 weitere Pferde beschafft.

Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten nach dem 1. Weltkrieg führen in der Inflationszeit zur Stilllegung der Straßenbahn. So wurde der Betrieb im Oktober 1920 eingestellt und die Fahrzeuge veräußert. 

Mehrere Zerbster Bürger wollten sich nicht mit der Stilllegung abfinden und gründeten 1921 eine Genossenschaft, die den Betrieb wieder aufnehmen wollte. Zwei Wagen, die der Vorbesitzer an einen Altwarenhändler verkauft hatte, konnten zurück erworben werden. 1921 fuhr die Straßenbahn wieder.

Im gleichen Jahr errichtete die Genossenschaft ein neues Depot nahe dem Marktplatz. Auch 3 weitere Wagen aus Jüterbog und Stendal ergänzten den Wagenpark. Die beiden Wagen aus Stendal (Nr. 4 und 5) waren aber zu schwer für den leichten Oberbau und wurden nach kurzer Zeit verschrottet.

Das veraltete Verkehrsmittel entsprach aber nicht mehr den Wünschen der Bürger. Eine Elektrifizierung kam aus Kostengründen für die kurze Strecke nicht infrage. So erfolgte ab dem 01. August 1928 die Beförderung der Fahrgäste mit Autobussen. Der Betrieb der Straßenbahn endete am gleichen Tag.

Die Pferdebahn aber blieb unvergessen. So ging sie auch in das lokale Liedgut ein.

„In Zerbst da ist's gemütlich, da gibt's ne Pferdebahn, 

das eine Pferd das zieht nicht, das andere das ist lahm. 

Der Kutscher der ist bucklig, die Räder die sind krumm, 

und alle fünf Minuten da kippt die Karre um.“

Bis heute sind einige Gleisreste nahe dem Bahnhof und am Marktplatz erhalten. Sie stehen mittlerweile unter Denkmalschutz. Die folgenden Aufnahmen entstanden im Jahr 2005.

Marktplatz. Blick in die gleiche Richtung wie auf der historischen Ansichtskarte.

Blick zum früheren Endpunkt der Straßenbahn.

Abzweig zum neuen Depot.

Rillenschiene am Marktplatz.


Quellen:

Zimmer: Die Zerbster Straßenbahn aus "Der Stadtverkehr" 2/1973


 

© Joachim Fricke 2021