Friedrich Behme und die Grube "Großfürstin Alexandra"


Am 15. Mai 1895 versandte der Hannoversche Jurist und Hobbygeologe Friedrich Behme (1870-1958) die nebenstehende Karte an seine Schwester Theda Behme (1877-1961). Die Abbildung zeigt ein heute fast vergessenes Bergwerk, die Grube "Großfürstin Alexandra" im Schleifensteinstal bei Goslar. Der Versuch den privaten Text zu entziffern, ist bis heute leider auch Fachleuten in der Stenografie nicht gelungen.

Die grün hinterlegten Absätze stammen aus dem "Geologischen Harzführer - Goslar 1. Teil" (1915) von Friedrich Behme. Der Autor dieses Beitrags möchte sich recht herzlich beim Verlag Hahnsche Buchhandlung, Hannover (Herrn Waffender) für die Veröffentlichungsrechte bedanken.

Etwa 400 m oberhalb der Steinbrüche mündet von Süden ins Gosetal das Große Schleifsteinstal. Wir wollen ihm einen Besuch abstatten, weil es uns ein für die Geschichte der heimischen Bergbauspekulation ganz charakteristisches Bild zeigt: Die Ruinen der Grube "Großfürstin Alexandra". Die Grube liegt auf einem dem nördlichen Harzrande parallel verlaufenden Gange im Spiriferensandstein, dessen Schichten (wie gewöhnlich) von Südost nach Nordwest streichen. Die Grube war bereits 1674, 1675, 1682 und 1683 als St. Anna im Betriebe; damals sollen Steinkohlen (!) gesucht und gefunden sein. 

Die Literatur erwähnt eine Grube "Abraham" im 16. Jahrhundert. Erst die Existenz einer Grube mit dem Namen "St. Anna" ist für das Jahr 1674 urkundlich belegt. Diese war bis 1683 in Betrieb. Der Abbau von Steinkohle dürfte aber unwahrscheinlich sein. St. Anna verfügte über zwei Stollen und einen tonnlägigen (schrägen) Schacht. 

Versuche die Grube wieder in Betrieb zu nehmen gab es 1691, 1706 (Grubenname "Haus Steinberg") und 1723. Alle diese Unternehmungen waren aber nicht erfolgreich und wurden nach kurzer Betriebszeit wieder aufgegeben.

1745 - 1778 war sie als "Carls Gnade" im Betriebe; am 20. September 1749 befuhr Herzog Carl von Braunschweig die Grube. 

Bergwerksbetreiber waren die Braunschweiger Kaufleute Kohn und Thies. Die Besitzer haben die Grube erst selbst finanziert, dann aber in eine Gewerkschaft überführt. Abgebaut wurde Blei- und Kupfererz, wie Haldenfunde belegen. Die geringe Fördermenge wie auch die schlechte Qualität der Erze machten es schwer, sie an Hütten abzugeben. Die somit geringen Gewinne zwangen zur Einstellung des Förderung. 1779 erfolgte dann der Abriss der Betriebsgebäude.

Ein erneuter Versuch die Grube in Betrieb zu nehmen erfolgte 1808 durch eine aus zwölf Personen bestehende Gewerkschaft. Sie erhielt nun den Namen "Neue Hoffnung". Die geplante Anlage neuer Stollen unterblieb jedoch und die Unternehmung wurde schon 1813 wieder eingestellt, da sich keine Erfolge einstellten.

Durch Verleihschein vom 26. Mai 1865 und Verleihurkunde vom 6. Januar 1873 wurde sie dem Bergwerksdirektor Wilhelm Kastendyck zur Größe von 1840000 qm verliehen, und zwar auf silberhaltiges Bleierz, Kupferkies, nickelhaltigen Arsenikkies, Blende, Schwefelkies usw. Laut Verfügung vom 12. Juni 1865 führte die Grube den Namen "Großfürstin Alexandra".

Wilhelm Castendyck (1824-1895) - richtig mit "C" geschrieben - war technischer Leiter der Mathildenhütte und der Eisenerzgrube Friederike bei Harlingerode (heute OT von Bad Harzburg).

In den folgenden Jahren wechselte die Grube noch mehrfach den Besitzer.

1892 wurde der Betrieb wieder aufgenommen, nachdem die Grube in den Besitz des "Commerner Vereins" übergegangen war. Das Erzvorkommen ist von Professor Klockmann im Oktober 1893 in der Zeitschrift für praktische Geologie beschrieben. In dem Aufsatz ist die mißverständliche Angabe enthalten, das Nickelerz (Gersdorffit) sei erst im Sommer 1893 gefunden, es ist jedoch in der Verleihungsurkunde schon erwähnt. An den "neu entdeckten Nickelerzgang" knüpften sich große Hoffnungen.

 

Gersdorffit aus der Grube "Großfürstin Alexandra". 

(Sammlung J. Fricke)

Synonyme: Arsennickelglanz, Arsennickelkies

Chem. Formel: NiAsS

Farbe: Grau-Schwarz

Benannt nach Johann Rudolf von Gersdorff, dem Besitzer einer Grube bei Schladming (Österreich), wo das Mineral erstmals 1845 gefunden wurde.

 

Der Fund des Nickelerzes initiierte eine deutliche Ausweitung des Betriebs. So wurde begonnen einen neuen Förderschacht abzuteufen. Dieser sollte 75m tief werden. Ausgerüstet wurde die Schachtanlage mit Fördergerüst und Dampfmaschinenhaus (siehe Bild von Friedrich Behme).  Während der Teufarbeiten kam es zu einem Wassereinbruch, der nur mit Mühe zu beherrschen war. Unterdessen wechselten wiederum der Besitzer. 1895 hieß dieser "Gewerkschaft Neue Kirche" mit Sitz in Goslar. Von der 70m Sohle wurde nun ein 567m langer Wasserlösungsstollen bis ins Gosetal aufgefahren, der nach nur 15 Monaten 1898 fertig gestellt wurde. 

Nachdem die Grube in den Besitz der "Gewerkschaft Neue Kirche" übergegangen war,  wurde für das Unternehmen besonders von der Bankfirma Samuel Zielenziger in Berlin Reklame gemacht, so in einem Zirkular vom 31. Oktober 1899 in dem "für das nächste Jahr bereits eine ansehnliche Ausbeute" in Aussicht gestellt wurde. Es gelang denn auch, die Kurse auf eine unglaubliche Höhe zu bringen.

Trotz aller Erweiterungen - so wurde 1900 eine mechanische Aufbereitung erbaut, eine Schrägförderanlage angelegt und die 115m Sohle aufgefahren - entsprach die Fördermenge in keiner Weise den Erwartungen. Der Nickelerzgang war nur wenige Zentimeter mächtig. Die Fördermenge für das Jahr 1900 betrug bescheidene 73 Tonnen Erz davon nur 8 Tonnen Nickelerz. Auch die Erzsuche auf der neu angelegten 129m Sohle blieb erfolglos.

Nachdem gerade eine große und sehr kostspielige Aufbereitungsanlage bei der Grube errichtet war, wurde der Betrieb im Sommer 1901 eingestellt. Inzwischen sind alle Gebäude abgebrochen und bilden einen großen Trümmerhaufen.

Bis 1907 wurde noch weiter erfolglos nach Erzvorräten gesucht, dann wurde die gesamte Belegschaft abgezogen. 1909 übernahm die Stadt Goslar den Wasserlösungsstollen zur Trinkwassergewinnung.

Die folgenden Aufnahmen entstanden bei einer Begehung im Jahr 2005 (Aufnahmen: J. Fricke).

 

Neues Mundloch des Wasserlösungsstollen im Gosetal. Heute Trinkwasseranlage der Stadt Goslar

 

Der gesicherte "Neue Schacht"

 

Durch diesen "Stollen" sollen Dampfleitungen geführt haben

 

Gebäudereste

 

Oberhalb der Halde evtl. Schrägaufzug

 

Halde der Grube

 

Dr. Friedrich Behme

Behme wurde am 29. Dezember 1870 in Palandsmühle bei Bredelem geboren. Er besuchte das Gymnasium in Goslar und nahm anschließend ein Studium der Rechtswissenschaften und der Geologie auf. Nach der Promotion begann er eine Tätigkeit im Justizdienst. Nebenbei beschäftigte sich Behme mit der Geologie seiner Harzheimat. 1894 erschien die erste Auflage seines "Geologischen Führers durch die Umgebung der Stadt Goslar". 1903 entsandte man Behme als "Kaiserlichen Richter" nach Tsingtau, welches seinerzeit eine deutsche Kolonie war. Dort verfasste er einen "Führer durch Tsingtau". Nach seiner Rückkehr arbeitete er in Achim bei Bremen und anschließend viele Jahre in Hannover. Am ersten Weltkrieg nahm er erst im Westen und später in Rumänien teil, wo er die Erdölgebiete kennenlernte. Nach Kriegsende erschienen weitere geologische Führer über Clausthal, Hahnenklee, Blankenburg, Harzburg, das Okertal und den Rammelsberg. Auch andere Gebiete wie die Grafschaft Bentheim und die Lüneburger Heide wurden mit seinen Führern bedacht. Behme übernahm später die juristischen Arbeiten und geologische Ermittlung als Nebentätigkeit für Kalikonzerne. Eine Besonderheit sind 5 Bände mit dem Titel "Die Wünschelrute". Bis 1945 lebte er in Hannover, wo er als Amtsgerichtsrat tätig war. Dort ausgebombt übersiedelte er nach Goslar, wo er am 3. Dezember 1958 verstarb.


Quellen:

Behme: Geologischer Harzführer - Goslar 1. Teil, Hannover 1915

Börner: Welcher Stein ist das?, Stuttgart 1968

Dietrichs: Die Nickelgrube "Großfürstin Alexandra" im Oberharz, "Lapis" 6/2006

Gebhardt: Der Betrieb der Grube "Großfürstin Alexandra" und ihrer Vorgänger, "Unser Harz" 2/2012

Hahnemann: Ein verdienter Goslarer: Dr. Friedrich Behme, "Goslarer Bergkalender" 1983

Laub: Vom Schleifsteinstaler Bergbau, "Goslarer Bergkalender" 1977

Suche und Erkundung am Rammelsberg und in seiner Umgebung, Goslar 2011

Wrede: Kleine Erzvorkommen und alter Bergbau in der Umgebung von Goslar am Harz, "Der Aufschluss" 12/1972


 

© Joachim Fricke 2021